Unvereinbarkeiten

Global Conflicts - Palestine

Nicht zum ersten Mal nehmen sich Game-Designer den Nah-Ost-Konflikt als Thema vor. Diesmal geht es nicht ums Ballern und Totmachen, und auch nicht darum, Frieden zu schließen, es geht darum, die Komplexität des Konflikts zu begreifen.

In dem Spiel "Global Conflicts - Palestine" kommt man als Journalistin oder Journalist aus den USA, ursprünglich israelischer oder arabischer Abstammung, nach Jerusalem, mitten ins Zentrum der Unvereinbarkeiten also, um für die Israeli Post, die Palestine Today oder die Global News zu schreiben.

Pixel als Lehrmeister

Gleich am Anfang steht man vor einer schwerwiegenden Entscheidung. Will man Hannah Weismann sein, eine geschiedene Reporterin, von ihren Freunden als starke, mitunter sture Frau beschrieben, einer jüdischen Emigranten-Familie in den USA entstammend? Oder als Diwan Massoud, ebenfalls US-Amerikaner, allerdings mit palästinensisch-arabischen Wurzeln, in Jerusalem sein Leben neu beginnen?

Grafisch gibt das Spiel nicht sehr viel her. Es ist auch nicht besonders spannend, durch die Straßen und über die Plätze Jerusalems zu laufen. Aber das ganze Spiel besteht aus Entscheidungen: Oft gibt es zwei oder drei Antworten beziehungsweise Fragen zur Auswahl und meist ist eine Hand voll Menschen in der Nähe, mit denen man sprechen kann. Und fast jede Frage und jede Antwort, die man auswählen muss, um weiter zu kommen führt zu einem inneren Konflikt. Entweder ist man unterwürfig freundlich oder ein Stück selbstbewusster als im wirklichen Leben. Wählt man Letzteres, kann es leicht passieren, dass man keine Auskunft bekommt. Oder nicht zum Terroreinsatz mitfahren darf.

Ein Dialogbeispiel

Roi: Sind alle fertig? Denkt daran, eure Gewehre zu sichern und behaltet die umliegenden Gebäude im Auge. Wir wissen nicht, ob es Tunnel oder irgendetwas anderes gibt, wo sie durchschlüpfen können. Wir haben einen sicheren Tipp bekommen, dass in einem bestimmten Haus illegale Aktivitäten stattfinden, aber es könnte auch mehr dran sein.

Hannah : Shalom. Entschuldigung, dass ich unterbreche, aber es geht um meine Teilnahme an diesem Einsatz.

Roi: Ich kann nicht gerade behaupten, dass ich darüber informiert bin. Wer sind Sie?

Hannah: Nun ja, mein Redakteur hat die Vereinbarung getroffen. Ich bin Journalistin. Ich bestehe darauf, mitzukommen. Ich gehöre zur freien Presse!

Roi: Okay, vergessen Sie es. Ich habe absolut kein Interesse daran, Sie mitzunehmen, wenn Sie so mit mir sprechen.

Hannah: Das werden Sie bereuen, wenn ich mit ihrem Vorgesetzten rede.

Roi: Wenn Sie wollen, können Sie mit meinem Vorgesetzten reden. Das wird nichts ändern, auf Wiedersehen.

Ein solcher Dialog mag nicht besonders authentisch sein. Das Spiel bringt dennoch rasch auf den Punkt, worum es im Nah-Ost-Konflikt geht. Um ein Leben mit inneren und äußeren Unvereinbarkeiten.

Fünf Jahre Entwicklung

"Global Conflicts - Palestine" wurde von der dänischen Firma Serious Games Interactive entwickelt. Simon Egenfeldt-Nielsen, dem Chefentwickler von Serious Games, wurde vorgeworfen, sowohl zu pro-israelisch, als auch, zu anti-zionistisch zu sein. Der Psychologe und Lehrbeauftragte an der Universität Kopenhagen erklärte in einem Interview, fünf Jahre lang recherchiert und mit vielen Experten für die Entwicklung dieses Spiels gesprochen zu haben.

Neben dem Terroreinsatz gibt es mehrere Missionen zur Auswahl, etwa die Checkpoints unter die Lupe zu nehmen. Hier sind die Beteiligten redseliger. Die Soldaten etwa beginnen zu erzählen, dass sie sich der Situation nicht gewachsen fühlen. Die schwangere Palästinenserin in der langen Schlange am Checkpoint fällt in Ohnmacht, erzählt danach, dass es keine ärztliche Versorgung auf ihrer Seite der Mauer gibt.

Ein gutes, realistisches Spiel

Im Großen und Ganzen ist das Spiel realistisch. Ein paar Details jedoch sind mehr als nur Schönheitsfehler: Die plötzliche Schießerei eines Palästinensers am Checkpoint, bei dem einige Zivilisten ums Leben kommen. Terroranschläge gab es in Jerusalem nämlich seit über vier Jahren nicht mehr. Aber es ist ja nur ein Spiel. Ein besonders gut gemachtes. Dieses Urteil ist insofern erstaunlich, als ich an einer Computerspielphobie leide.

Hör-Tipp
Matrix, Sonntag, 11. Mai 2008, 22:30 Uhr

Link
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