Der schottische Nationaldichter Robert Burns
Abschiednehmen aller Art
Bildung plus "Volksnähe“ ermöglichten ihm, Volksweisen zu sammeln, aufzuschreiben, zu "verdichten“. Der Schatz ist erhalten geblieben. Das vergessen die Schotten ihrem Robert Burns nie und feiern seine Geburt bald zum 250. Mal und in aller Welt.
8. April 2017, 21:58
Auld Lang Syne
"Zum Abschied, Brüder", das kommt Ihnen doch bekannt vor? Ich selbst habe an jugendlichen Lagerfeuern lustvoll mitgegrölt, wenn das Abschiedslied angestimmt wurde: das mit dem Händereichen und der ewigen Freundschaft und der stets falsch klingenden hohen Note am Ende der zweiten Zeile. (Oft war es auch das Signal für den Rückzug der Aufsichtsperson...) Die Melodie ist einige hundert Jahre alt, den Originaltext hat Robert Burns gedichtet. Ursprüngliche Bedeutung: Zum Jahreswechsel sollte der Verstorbenen des alten Jahres gedacht werden. Vielleicht war es zu schön, um nur einmal im Jahr gesungen zu werden, und so wird es mittlerweile zum Abschiednehmen aller Art verwendet.
Jimi Hendrix verabschiedete sich bei einem Konzert in der Nacht von 1969 auf 1970 auf seine unverwechselbare Art mit diesem Song. Das anbrechende Jahr war dann sein Todesjahr.
Am 25. Jänner war ich zur Wiener Burns-Night eingeladen, von dieser Tradition wusste ich bis dahin noch nichts, und von Robert Burns nur so viel: Schottischer Nationaldichter, kurzes Leben, großes Werk. Dass seines Geburtstags - in aller Welt übrigens - in solch fantasievoller und liebenswerter Weise gedacht wird, fand ich berührend. Besuchen Sie doch eine der nächsten Burns-Nächte, dann wissen Sie, was ich meine.
Robert Burns wird am 25. Jänner 1759 als Bauernkind geboren. Sehr ungewöhnlich für diese Verhältnisse: die Kinder werden auf Schulen geschickt. Und wenn keine Schule erreichbar ist, übernimmt der Vater den Unterricht, wobei er sich das Wissen für die jeweilige Lektion selbst mühsam erarbeitet. Die Mutter ist für Heimatkunde, für Märchen und Sagen und für die Volkslieder zuständig.
Seine Bildung einerseits, die "Volksnähe" andererseits ermöglichen es Burns, die zahlreichen Volksweisen Schottlands zu sammeln, niederzuschreiben und sie zu "verdichten" - wenn das analog zu "vertonen" so gesagt werden darf. Der reiche Schatz ist auf diese Weise erhalten geblieben - das vergessen ihm seine Landsleute bis heute nicht.
100 Jahre später
Jede Generation hat seither aus diesem Schatz geschöpft. Theodor Fontane etwa kommt etwas zu Ohren, als er im Jahr 1859 eine Schottlandreise unternimmt. Amüsiert macht er sich an eine Nachdichtung:
Was kann ein jung Mädel, was soll ein jung Mädel,
Was kann ihr, was soll ihr ein ältlicher Mann?
Ich muss mich gedulden bei all seinen Gulden,
Womit er das Herz meiner Mutter gewann.
Nichts hat er wie Sorgen vom Abend zum Morgen.
Er hustet, dass ich nicht schlafen kann;
Halbtaub seine Ohren, sein Blut wie gefroren,
Ach traurig die Nacht mit nem ältlichen Mann!
Er närgelt und brummelt, er quärgelt und mummelt,
Ich mach ihm nichts recht, und dann fährt er mich an.
Zu nichts ist er tüchtig, nur eifersüchtig
Ach ist er, weiß Gott, wie ein ältlicher Mann.
Meine Tanten und Paten, die han mir geraten:
“Du musst ihn mehr ärgern, den alten Tropf.”
Bei meiner Seelen, tot will ich ihn quälen,
Und dann für den alten, nen neuen Topf.
200 Jahre später
Jetzt sind es Popgruppen, Songwriter und Liedermacher, die sich des Werks annehmen, etwa Wolf Biermann oder Hannes Wader. Was Burns im 18. Jahrhundert, inspiriert von der Französischen Revolution, in Liedform gebracht hat - den Ruf nach Gleichheit und Gerechtigkeit - passt immer noch in die Zeit.
Leicht hat es Burns nicht gehabt in seinem kurzen Leben. Nicht in der Liebe - die erste Freundin stirbt früh, die zweite hat für’s Heiraten die falsche Religion, eine wird von ihm schwanger, aber die will er nicht heiraten - , aber auch nicht im Beruf - mehrere Projekte scheitern an Konkursen, einem Brand und einer Wirtschaftskrise. Als nur noch die Auswanderung nach Jamaika als letzte Rettung möglich scheint, bringt die Veröffentlichung lyrischer Texte endlich den Erfolg. Jetzt wird der junge Poet in den Salons von Edinburgh herumgereicht. Aber nur so lange, bis er sich öffentlich politisch äußert. Viele Gönner wenden sich ab.
Schlussakkord
Was immer ihn schwächte - Krankheit oder Alkohol - ein kranker Zahn bringt dem erst 37-Jährigen den Tod.
Die Schotten lieben und verehren ihren Burns bis heute, und nicht nur sie. Einmal im Jahr wird er in aller Welt auf eigenwillige Art gefeiert. An jedem 25. Jänner wird rezitiert und musiziert, und siehe da: Bevor die Gäste zum original Burns-Dinner streben, wird gemeinsam das "Auld Lang Syne" angestimmt. Ich gestehe: Das Lied greift mir immer noch ans Herz.
Hör-Tipps
Spielräume, Sonntag, 25. Mai 2008, 17:30 Uhr
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Robert Burns