Musealisierung von Revolte?
Punk is not dead
Gestorben - zumindest publizistisch und musiktheoretisch - ist Punk 1978 mit dem Auseinanderbrechen der Sex Pistols. Zuvor war eine weltweite Sub- und Gegenkultur entstanden, mit dem Vorsatz ästhetische und gesellschaftliche Normen aufzubrechen.
8. April 2017, 21:58
30 Jahre nach dem Ende der Sex Pistols gibt es Punk als Musikgenre immer noch, sowohl in den Hitparadencharts als auch in alternativen Musikszenen. Zudem wird in Museen und Kunstsammlungen an die innerästhetische und innermusikalische Revolte von Punk erinnert.
Erinnert wird an einen Moment Ende der 1970er Jahre, als Punk sich der kreativen Zerstörung von Werten und Strukturen verschrieben hat und sich keiner der damaligen Protagonisten - Musiker, Künstler und Modemacher - vorstellen konnte, jemals in einer nostalgischen Kunstausstellung gezeigt zu werden. Punk provozierte, durch die verneinende Attitüde und den respektlosen Umgang gegenüber herrschenden kulturellen Zeichen und Codes.
Selbst zum Subjekt der Gegenwart werden
Entstanden ist Punk in urbanen Räumen, in anonymen Großstädten wie New York, London und Berlin. Der sozial kalte, lärmende Großstadtraum floss mit ein in die Punk-Ästhetik und die Musik: verzerrte, einfach zu spielende Gitarrenakkorde, dröhnende Schlaginstrumente und verstörender Gesang waren einige der Stilelemente von Punk. Musikhistorisch originär war die Musik nicht. Viel mehr Schloss Punk dort an, wo der Rock'n'Roll der 1950er Jahre aufgehört hatte, noch vor Bands wie den Beatles und der technischen "Über-Produzierung" von Pop- und Rockmusik.
"Es ist nicht klar, ob Punk die Rettung des Rock oder dessen Zerstörung anstrebte. Für weiße Jugendliche bot sich mit Rock ein Stil an, sich musikalisch auszudrücken, da Soul und Rythm'n'Blues zu schwierig und komplex waren. Aber Punk war auch eine Form von kluger Destruktion von Rock, die sich immer auch als Koketterie und Selbstinfragestellung gab." Diese Selbstironie ist dem Punk immanent, so Siegfried Mattl, Historiker am Wiener Institut für Zeitgeschichte und selbst in den 1970er Jahren Zeitzeuge der Anfänge von Punk.
Jeder kann Musik machen
Punk grenzte sich sowohl gegenüber der Seriosität des Glam Rock und des Progressive Rock der 1970er Jahre ab, als auch gegenüber der Hippiekultur der älteren Generation.
Anstatt in Sportstadion vor zigtausenden Menschen zu spielen, wurden durch Punk kleine Clubkonzerte wieder belebt, wodurch die Distanz zwischen Publikum und Musikern aufgehoben wurde. Der akademisierten und durchkomponierten Pop- und Rockmusik wurde der sogenannte "Do-it-yourself"-Gedanke entgegen gestellt.
Aus der Überzeugung das Musik ohne musikalische Vor- und Ausbildung gemacht werden kann, entstanden weltweit Bands und hunderte kleine unabhängige Labels die Punk Musik produzierten und vertrieben. Punk war aber nicht nur eine Zäsur für die Musikindustrie, sondern hatte Auswirkungen auf andere ästhetische Disziplinen wie Modedesign, Video- und Filmkunst. Ästhetische Ideale und Normen wurden durch Punk in Frage gestellt und diese nonkonformistische Einstellung ist zumindest auf individueller Ebene heute noch relevant.
"Punk is not dead"
Schon während ihres Entstehens wurde die Gegenkultur Punk kommerzialisiert. Für die Platten- und Modeindustrie war Punk ein wichtiger kreativer und schließlich auch finanzieller Impulsschub.
Bis heute kann, wer möchte, zumindest oberflächlich zum Punk "werden": maschinell zerrissene Jeanshosen oder Nietengürtel "Made in China" gibt es in jedem Diskont Kleidergeschäft, die dazupassende bunte Haarfärbung wird chemikalienfrei beim Friseur um die Ecke angeboten. Punk ist heute sicherlich nicht tot, sondern mitten in der Gesellschaft angekommen.
Mehr dazu in oe1.ORF.at
Punk-Ausstellung in der Kunsthalle Wien
No One Is Innocent
Hör-Tipp
Radiokolleg, Montag. 19. Mai bis Mittwoch, 21. Mai, 9:45 Uhr
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Kunsthalle Wien