Die wichtigste Nebensache der Welt

Faszination Fußball

Wendelin Schmidt-Dengler, Vorstand des Instituts für Germanistik der Universität Wien und Leiter des Literaturarchivs der Österreichischen Nationalbibliothek, ist bekennender Fußball-Fan und macht sich daher Gedanken, was das Besondere am Fußball ist.

Wendelin Schmidt-Denglers liebste Fußballspieler

"Ich bin nicht schuld, sondern die Medien, die immer wieder angefragt haben", kommentiert Wendelin Schmidt-Dengler seine häufigen öffentlichen Auftritte. "Ich habe mich einfach hingestellt und gesagt, was ich sagen wollte." Eine gute Taktik, wie nicht zuletzt die Auszeichnung als "Wissenschafter des Jahres 2007" bezeugt, die ihm vom Klub der Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten verliehen wurde.

Dabei hatte der Vorstand des Instituts für Germanistik der Universität Wien und Leiter des Literaturarchivs der Österreichischen Nationalbibliothek seine Liebe zur Literatur eigentlich "unter der Kuppe der Altphilologie verstecken" wollen.

Beginn als Altphilologe

Am 20. Mai 1942 in Zagreb geboren, wusste Schmidt-Dengler während seiner Schulzeit in Wien genau, dass er nicht Germanistik studieren wollte. "Ich habe Literatur geliebt, aber gerade deshalb wollte ich es nicht studieren. Ich dachte, das ist ein Bereich, den ich für mich behalte."

Auf Anraten seines Lateinlehrers entschloss er sich dann doch, die Leidenschaft zum Beruf zu machen. Sein Hauptfach, in dem er schließlich über Aurelius Augustinus' "Confessiones" promovierte, war dennoch die Klassische Philologie. Dass es ihn im Anschluss daran nicht als Lehrer ans Gymnasium, sondern als Assistent ans Germanistik-Institut verschlug, war Zufall.

Ehren-Vorsitzender der Doderer-Gesellschaft

"So hat sich dann Chance um Chance ergeben", erzählt Schmidt-Dengler. Wie die Freundschaft mit Heimito von Doderers Sekretär, Wolfgang Fleischer, der Schmidt-Dengler nach dessen Tod die Betreuung des Nachlasses anvertraute und so in ihm die Freude an der Arbeit mit Handschriften, am "Kennenlernen des Schriftstellers vom Material her" weckte. "Das hat sich so fortgesetzt, dass ich später Leiter des Literaturarchivs wurde", meint der gern als "Literaturpapst" bezeichnete Schmidt-Dengler bescheiden.

Auch an der Universität, wo er 1989 zum ordentlichen Professor berufen wurde, erklomm er schon bald die Institutsspitze, von der aus er sich bis heute aktiv in das Universitätsgeschehen einmischt. In einem "Anfall von Überschätzung der eigenen politischen Fähigkeiten" wurde der scharfe Kritiker des Universitätsgesetzes 2002 sogar Mitglied des Senats, und auch in den stets prall gefüllten Hörsälen verkneift er sich spitzzüngige Bemerkungen, die seine politischen Fähigkeiten launig untermalen, zumindest nicht immer.

Alte Liebe rostet nicht

Von den Studenten offenkundig geschätzt, wird Schmidt-Dengler aber vor allem für die gleichen Eigenschaften, die ihn auch in der Öffentlichkeit so beliebt gemacht haben: die Fähigkeit, seine wissenschaftliche Arbeit als aktuell relevant zu vermitteln, sei es in der Beschäftigung mit österreichischer Gegenwartsliteratur oder in der Wirkungsforschung der Antike.

Seine Liebe zu Griechen und Lateinern ist ihm bis heute geblieben, von der Habilitation 1974 über die Wirkungsgeschichte antiker Mythologeme in der Goethezeit bis zu aktuellen Vorlesungen über den Vergleich von antiken und modernen Dramen weiß er Bezüge zu ihnen herzustellen.

Bücher nicht nur lesen

Ausgezeichnet wurde Schmidt-Dengler schon 1968 mit dem Theodor-Körner-Preis, 1978 mit dem Förderungspreis der Gemeinde Wien, 1994 mit dem Österreichischen Staatspreis für Literaturkritik und 1997 mit dem Preis für Sozial- und Geisteswissenschaften der Stadt Wien. Und im Vorjahr wurde Schmidt-Dengler zum Wissenschaftler des Jahres gekürt.

Als Messlatte für seinen wissenschaftlichen Erfolg will Schmidt-Dengler aber weder solche Preise noch seine zahlreichen Auftritte in den Medien oder bei diversen Literaturveranstaltungen werten. "Man schreibt ein Buch. Das ist eine sehr alte Methode. Wenn am Ende die Bände dastehen, ob auf CD-Rom oder gedruckt, dann kann man zufrieden sein."

Leidenschaft Fußball

Mit der EURO 2008 gibt es für den glühenden Fußball-Fan und bekennenden Rapid-Anhänger schon bald eine weitere langjährige Leidenschaft auszuleben. Schmidt-Dengler hat einmal bekannt, dass er, wenn es ihm schlecht gehe, Johann Nestroy oder Thomas Bernhard lese, aber nach einem anstrengenden und langen Arbeitstag sei ein temporeiches und abwechslungsreiches Fußballspiel immer noch die beste Medizin.

Die Spiele der Euro 2008 wird Schmidt-Dengler vor dem Fernseher verfolgen. Für Österreich erhofft er sich ein Überstehen der Vorrunde, die Europameister werden seiner Meinung nach aber aus Kroatien oder Tschechien oder den Niederlanden kommen.

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Hör-Tipp
Gedanken, Sonntag, 25. Mai 2008, 13:10 Uhr

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Buch-Tipp
Wendelin Schmidt-Dengler (Hg.), "Als ich einmal Harreither in der Dusche interviewte. 11 Texte zum österreichischen Fussball", Otto Müller Verlag

Links
Universität Wien - Wendelin Schmidt-Dengler
Heimito von Doderer Gesellschaft