Zum 100. Geburtstag einer Literaturinstitution

Der Weigel

Am 29. Mai 2008 wird an einen der prägenden Köpfe der österreichischen Nachkriegskultur gedacht: Hans Weigel. "Ich bin um acht Jahre jünger als das Jahrhundert und um zehn Jahre älter als die Republik", schrieb er in seinen "Erinnerungen".

Der Wiener Hans Weigel besuchte das Akademische Gymnasium, inskribierte zunächst Jus in Hamburg und begann seine Karriere als Volontär der Berliner Zeitschrift "Die literarische Welt". 1928 kehrte er nach Wien zurück, arbeitete zunächst in einem Buchverlag, danach als Schriftsteller, Journalist, Kritiker, Autor für Kleinkunstbühnen, Radio-Kommentator und Lektor an der Wiener Universität. 1938 emigrierte er wegen seiner jüdischen Abstammung in die Schweiz, wo er für Kabaretts sowie als Verlagslektor arbeitete. Bald nach Kriegsende kehrte er nach Österreich zurück.

Konflikt mit Käthe Dorsch

Seine Tätigkeit als viel beachteter Theaterkritiker, die Weigel bis 1961 unter anderem für das "Neue Österreich" und den "Kurier" ausübte, gipfelte in einer viel beachteten "Watschenaffäre": Die Schauspielerin Käthe Dorsch stellte 1956 Weigel nach einer schlechten Kritik im Kaffeehaus, nannte ihn (so das Urteil des folgenden Strafverfahrens, bei dem sie zu einer Geldstrafe von 500 Schilling verurteilt wurde) "Dreckskerl" und "Dreckfink" und verpasste ihm zwei Ohrfeigen.

Förderer junger Talente

Im Kaffeehaus - an der Fassade des Cafe Raimund erinnert eine von der Österreichischen Gesellschaft für Literatur angebrachte Gedenktafel daran - entfaltete er auch seine einflussreiche Tätigkeit als Förderer junger Talente, die er unter anderem 1951 bis 1954 als Herausgeber der einflussreichen literarischen Anthologie "Stimmen der Gegenwart" nach Kräften unterstützte.

"Ich habe tatsächlich die Aichinger, die Bachmann, den Celan, den Dor, die Ebner, den Federmann, den Guttenbrunner, die Haushofer entdeckt beziehungsweise gefördert und weiter im Alphabet noch viele andere bis Zand und Zusanek", schrieb Weigel. Seinen Einfluss machte er jedoch auch für den Brecht-Boykott an den Wiener Bühnen der 1950er Jahre geltend.

Sein Witz!

"Wie oft wäre er jetzt dringend von Nöten, um mit seiner Furchtlosigkeit in Wort und Schrift in die Politik drein zu fahren. Er war ein typischer Jünger von Karl Kraus. Und - was unwiederbringlich ist: sein Witz! Dieser herrliche jüdische Witz!", sagt seine ehemalige Lebensgefährtin über Weigel.

Umfassendes Oeuvre

Als "Inhaber einer stadtbekannten Schriftstellerei (Einmannbetrieb)", so Weigel, verfasste er zahlreiche Romane, etwa "Der grüne Stern", "Das himmlische Leben", "Hölle oder Fegefeuer". Auch Revuen, Dramen und Komödien zählen zu seinem Oeuvre, zum Beispiel "Axel an der Himmelstür" oder "Das wissen die Götter". Weigel arbeitete aber auch als Übersetzer, unter anderem der Stücke von Molière, und schuf eine Fülle von Büchern und Essays über Österreich, die Wiener Philharmoniker, die Schauspieler Josef Meinrad und Attila Hörbiger, sowie über Sprachkritik - "Die Leiden der jungen Wörter". Seine literarischen Vorbilder waren Karl Kraus und Johann Nestroy.

Hans Weigel erhielt zahlreiche Auszeichnungen. Die Hälfte der Dotierung des österreichischen Staatspreises für Kulturpublizistik, den er 1983 erhielt, stellte er fünf jungen Autoren zur Verfügung. Am 12. August 1991 starb Weigel im Alter von 83 Jahren in Maria Enzersdorf bei Wien.

Hör-Tipps
Literatur am Feiertag, Donnerstag, 22. Mai 2008, 14:05 Uhr

Mehr dazu in oe1.ORF.at

Tonspuren, Freitag, 23. Mai 2008, 22:15 Uhr

Mehr dazu in oe1.ORF.at

Buch-Tipp
Hans Weigel, "In die weite Welt hinein. Erinnerungen eines kritischen Patrioten", herausgegeben von Elke Vujica, mit einem Geleitwort von Elfriede Ott und einem Vorwort von Wendelin Schmidt-Dengler, Literaturedition Niederösterreich

Veranstaltungs-Tipp
Jubiläumsgala "100 Jahre Hans Weigel - Ein großer Österreicher", Samstag, 31. Mai 2008, Wiener Konzerthaus

Link
100 Jahre Hans Weigel