Die Hintergründe beleuchtet

Die Biopiraten

Genetische Ressourcen der Tropen und das Wissen indigener Völker liefern die Wirkstoffe für viele Medikamente, mit denen Pharmakonzerne in Industriestaaten Millionen Reingewinn machen. Ein neues Buch beleuchtet die Hintergründe dieser "Biopiraterie".

Biopiraterie wurde 1994 von einer NGO aus Kanada und den USA geprägt. Im Allgemeinen versteht man darunter Leute oder Firmen, die ungefragt Pflanzen, Tiere oder Mikroorganismen aus anderen Ländern für ihre eigenen Zwecke benutzen. Hartmut Meyer, Biologe und Berater des deutschen Evangelischen Entwicklungsdienstes (EED) und Michael Frein, Referent für Welthandel und Umwelt beim EED, erläutern in ihrem Buch, wie Biopiraterie funktioniert und wie die Staatengemeinschaft versucht, den Verlust der Artenvielfalt zu stoppen.

190 Staaten haben das Abkommen zum Schutz des "Grünen Goldes der Gene" bisher ratifiziert - darunter auch Österreich. Doch Papier ist geduldig. Im Gespräch nennt Hautor Hartmut Meyer das Beispiel des indischen Neem-Baums. Eine US-Firma hatte sich die Produktion eines Ölauszugs aus dem Neem-Baum patentieren lassen. Dieses Patent sei als eines der ersten weltweit als Biopiraterie vor dem Europäischen Patentamt angezeigt worden. Den Prozess habe die Firma verloren, weil sie nicht nachweisen konnte, wirklich etwas "erfunden" zu haben. Sie hatte nur das traditionelle Wissen aus Indien für sich in Anspruch genommen.

UN-Konvention ist unzureichend

Indigene Völker wiederum können ihr traditionelles Wissen nicht patentieren lassen. Es ist vor allem mündlich überliefert und entspricht somit nicht internationalen Standards für eine Patentierung. Nach Ansicht der Autoren Meyer und Frein wie auch vieler nichtstaatlicher Organisationen schützt die UN-Konvention das geistige Eigentum lokaler Gemeinschaften nur unzureichend.

Die Autoren kritisieren auch das internationale Patentrecht, das die UN-Konvention in keiner Weise berücksichtige. Sie teilen daher die Forderung nach einem Zertifikat, das als Grundlage für eine Patentanmeldung und Marktzulassung dienen soll. In diesem Zertifikat solle dann drin stehen, ob die Regeln der Konvention eingehalten worden sind, so Meyer: "Wenn ich also hier ein Patent anmelden möchte auf Grundlage einer genetischen Ressource - meinetwegen einer Pflanze aus Brasilien - dann müsste ich dieses Zertifikat mit vorlegen."

Geranien aus Südafrika

Ein solches Zertifikat würde auch indigenen Völkern den Rücken stärken, denn um ihre Rechte einzufordern, müssen sie bisher auf eigene Kosten prozessieren. Die Alice-Gemeinschaft aus Südafrika will derzeit zwei Patente der Karlsruher Arzneimittelfirma Schwabe zu Fall bringen. Der Evangelische Entwicklungsdienst hat den Widerspruch beim Europäischen Patentamt unterstützt. Die Firma Schwabe stellt aus den Wurzeln der südafrikanischen Kapland-Pelargonie, einer Geranienart, einen Sirup gegen Bronchitis her, der unter dem Namen Umckoloabo vermarktet wird. Es gilt als eines der erfolgreichsten und umsatzstärksten Naturmedikamente in Deutschland.

"Der Vorwurf ist", so Meyer, "dass Schwabe, seitdem die Konvention über die biologische Vielfalt in Südafrika rechtsverbindlich geworden ist, seit 1995, illegal diese Ressourcen sammelt und exportiert. Es wurde weder Südafrika gefragt, ob man das denn so machen dürfe, noch wurden die Gemeinschaften vor Ort gefragt, ob ihr traditionelles Wissen zur Herstellung dieser Naturmedizin benutzt werden darf."

Sollten die Beschwerdeführer Recht bekommen, würde Schwabe die beiden Patente verlieren. Hartmut Meyer ist überzeugt: Die Firma wird auch ohne Patent noch sehr interessiert sein am Vermarkten der Heilpflanze.

Die Rechte wahrnehmen

Wegen der hohen Nachfrage sind inzwischen in Südafrika die Wildbestände einiger Heilpflanzen gefährdet. In ihrem Buch zeigen Hartmut Meyer und Michael Frein nicht nur, wie wichtig es für den Erhalt der Artenvielfalt ist, wenn die Ernte kontrolliert und nachhaltig durchgeführt wird: Ein achtsamer Umgang mit den genetischen Ressourcen stärkt ebenso die Einkommensmöglichkeiten der lokalen Gemeinschaften. Und deren Selbstbewusstsein.

"Vor allem in Südafrika wird dieser Patentfall als ein erster Schritt gesehen, um diese Community dazu zu bewegen, tatsächlich auch ihre Rechte wahrzunehmen", meint Meyer. "Man muss sich vorstellen, dass die meisten Leute, die dort leben, kaum lesen und schreiben können. Dass es ihnen teilweise auch schwer fällt, überhaupt Englisch zu reden, da sie ihre eigenen Sprachen sprechen. Das sind Menschen, die leben unter sehr einfachen und armen Umständen. Die haben von internationalen Handelsströmen oder -verträgen natürlich bisher überhaupt keine Ahnung."

Komplexes Thema für Laien gut aufbereitet

Wer das Buch von Hartmut Meyer und Michael Frein liest, wird wesentliche Zusammenhänge begreifen. Bislang existiert zum Thema Biodiversität vor allem englischsprachige Literatur, die sich überwiegend an ein Fachpublikum wendet. Den beiden deutschen Autoren gelingt es, das komplexe Thema auch für Laien anschaulich und spannend aufzubereiten. Überzeugend legen sie dar, warum Menschen in Europa sich für die Artenvielfalt in der Dritten Welt einsetzen sollten - auch wenn dies womöglich einige Nachteile für sie bedeutet.

Mehr dazu in oe1.ORF.at
Konferenz gegen Biopiraterie
Geraubte Schokolade
und in science.ORF.at

Hör-Tipp
Kontext, jeden Freitag, 9:05 Uhr

Buch-Tipp
Michael Frein und Hartmut Meyer, "Die Biopiraten. Milliardengeschäfte der Pharmaindustrie mit dem Bauplan der Natur", Econ Verlag

Link
Econ Verlag - Die Biopiraten