Stationen einer Rekord-Karriere
Philippe Jordan dirigiert "Capriccio"
Die "Baby-Conductors" am Vormarsch: Philippe Jordan, designierter Musikchef der Pariser Oper, dirigiert demnächst "Capriccio" von Richard Strauss an der Wiener Staatsoper. Die Stationen einer Rekord-Karriere im Überblick.
8. April 2017, 21:58
Jordan dirigiert "Salome"
Am 7. Juni ist wieder Premiere für Philippe Jordan: zum zweiten Mal eine Wiener Staatsopernpremiere im Haus am Ring. Nach Massenets "Werther" 2005 (und Mozarts "Entführung aus dem Serail" im Mozartjahr 2006, mit Staatsopernkräften im Burgtheater) steht diesmal das opus ultimum des Bühnenkomponisten Richard Strauss am Programm, "Capriccio" mit Renée Fleming. Ein Werk, das in Wien mit würdigen Dirigentennamen verbunden ist: Karl Böhm, Horst Stein, Heinrich Hollreiser.
Aber kann das einen Musiker stören, der kommende Spielzeit am Züricher Opernhaus zum ersten Mal den kompletten "Ring des Nibelungen" dirigieren und ab 2009/10 als Musikchef der Opéra National de Paris fungieren wird, mit ihren zwei Häusern und 174 Orchestermusikern? Einstweilen ist dieser Kontrakt für sechs Jahre abgeschlossen, mit einer Verlängerungs-Option für weitere drei. Womit der gebürtige Züricher des Jahrgangs 1974 von den "Baby-Conductors" - Daniel Harding, Gustavo Dudamel, Robin Ticciati laufen ebenfalls unter diesem Etikett - der erste ist, der zum musikalischen Leiter eines Opernhauses von internationalem Rang bestellt wird.
Frühreif oder überschätzt?
"Sie debütieren zu früh, dann, wenn sie noch nichts können", schäumte unlängst Altmeister Lorin Maazel, der selbst mit 24 sein Scala-Debüt hingelegt hatte. "Sie sind überschätzt", legte Riccardo Chailly nach - er war bereits mit 21 der zweite Mann neben Abbado in Mailand.
"Philippe wer?" Andrea Seebohm, damals Leiterin des RSO Wien, erinnert sich noch an den Moment, als Staatsoperndirektor Joan Holender anrief. Ein 24-Jähriger sollte "ihr" Orchester bei einer Sommer-Stagione der "Lustigen Witwe" dirigieren. Spätestens als sie Philippe Jordan dann zum ersten Mal am Pult sah, war sie ihm - nach eigener Aussage - "endgültig verfallen".
Philippe Jordan kennt derlei Reaktionen, seit er mit 21 am Theater von Ulm, wo seinerzeit auch die Karriere von Herbert von Karajan begonnen hatte, zum ersten Kapellmeister bestellt wurde. Erste eigene Einstudierung an der Berliner Lindenoper mit 24, erste Opernchefdirigentenposition mit 27, MET-Debüt mit 28, erste Opernpremiere bei den Salzburger Festspielen ("Cosi fan tutte", dort wo Böhm und dann Muti ein Abonnement auf das Werk hatten) mit 30 - wer will, kann Philippe Jordans Karriere als eine Abfolge von Rekorden sehen.
"Arbeitstier" Philippe Jordan
"Mein Sohn ist ein Arbeitstier. Er ist unheimlich selbstkritisch, und das ist neben seiner Bescheidenheit wohl seine allergesündeste Eigenschaft", äußerte sich einmal Philippe Jordans Vater, der 2006 verstorbene Armin Jordan, selbst einer der bekanntesten Schweizer Maestri seiner Generation, Chef der Basler Oper, des Kammerorchesters Lausanne, des Orchestre de la Suisse Romande. Weniger prägend als das Studium - Klavier, Violine - waren für Philippe Jordan die frühen Korrepetitoren- und Assistentenjahre in Aix-en-Provence, in Paris bei Jeffrey Tate (unter anderem bei dessen "Ring"-Einstudierung) und vor allem bei Daniel Barenboim in Berlin.
Job-Hopper ist er nur, wenn größere Aufgaben rufen: 2001 beruft ihn die damalige Grazer Opernintendantin Karen Stone zum Chefdirigenten. Von "Otello" bis "Parsifal", von "Peter Grimes" bis "Ariadne auf Naxos" und "Eugen Onegin" reicht Jordans Grazer Repertoire, 2004 ist Jordan dann nicht mehr zu halten. Er wird Erster Gastdirigent an der Berliner Lindenoper, mit Mozart- und Verdi-Premieren, ist für Busoni und Janacek in der Züricher Oper, für "Ariadne auf Naxos" und den "Rosenkavalier" in Paris, für "Salome" in London, und debütiert, ansonsten ungebunden, bei den Welt-Spitzenorchestern von Wien bis New York. In Paris ist nun für ihn die Zeit gekommen, in Ruhe wieder etwas Eigenes "aufzubauen".
Klar und kühl
Als "klug wie die Großväter" wird es empfunden, wenn Philippe Jordan dirigiert, manchmal auch als tyrannisch à la Toscanini, dann wieder als glatt-telegen. Ein Mann der Leidenschafts-Exzesse ist Jordan gewiss nicht; das Kühle und Klare liegen ihm, seine Lust, Melodien bis zum Zerreißen zu dehnen und dann wieder hochschnellen zu lassen, hat ein sportives Element.
Außer dem Dirigieren, was gibt es sonst noch für Philippe Jordan? Er gibt an, gerne spirituelle Literatur zu lesen, sich für Buddhismus zu interessieren, Jazz und Meditationsmusik zu hören, Ausstellungen zu besuchen. Wohnsitz ist Berlin, Lieblingsgegend Irland, von wo auch die Mutter stammt: "Die Elemente - Wasser, Erde, Luft - sind dort ganz stark spürbar!"
Hör-Tipp
Apropos Oper, Donnerstag, 29. Mai 2008, 15:06 Uhr
Veranstaltungs-Tipp
Richard Strauss, "Capriccio", Samstag, 7. Juni 2008, 19:30 Uhr, Wiener Staatsoper
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