Naturnachtgebiet Eisenwurzen

STEIRISCHE EISENWURZEN/ANDI HOLLINGER

Radiokolleg

Vom Wert der Dunkelheit

Drei Bundesländer und 20 Gemeinden haben sich zusammengetan und das größte Naturnachtgebiet Österreichs gegründet. Im Dreiländereck Oberösterreich, Niederösterreich und Steiermark, soll das Naturnachtgebiet Eisenwurzen entstehen. Menschen sollen dort wieder den Nachthimmel mit seinen unzähligen Himmelskörpern erleben und die Milchstraße sehen können. Dunkelheit in der Nacht nützt auch der menschlichen Gesundheit, erleichtert nachtaktiven Tieren das Leben und verbessert sogar das Wachstum von Bäumen. Die Initiative soll zeigen, wie wertvoll der Schutz der Dunkelheit ist.

Das Naturnachtgebiet umfasst die Nationalparks Kalkalpen und Gesäuse, die Naturparks Steirische Eisenwurzen, Niederösterreichische Eisenwurzen und Ötscher-Tormäuer und das Wildnisgebiet Dürrenstein-Lassingtal und wurde bei der Organisation Dark Sky International zur Zertifizierung als „Dark Sky Reserve“ eingereicht. Dafür sollen die Gemeinden ihre Lichtquellen reduzieren oder auf naturverträglicheres Licht umstellen.

Viele Menschen haben noch nie die Milchstraße gesehen

Wer im urbanen Raum lebt und sich einmal an einen Ort begibt, in dem es in der Nacht sehr dunkel ist, ist meist überrascht und begeistert, wie viele Sterne am Himmel zu sehen sind. Nur rund ein Prozent der Menschen in Europa, so heißt es, kann dieses Schauspiel täglich erleben. Alle anderen sind von der sogenannten Lichtverschmutzung betroffen, also greller Beleuchtung in der Nacht, die das Licht der Sterne überlagert und diese für uns größtenteils unsichtbar macht. Viele Menschen haben noch nie die Milchstraße gesehen.

Die Aufhellung der Nacht ist für uns Menschen ein kultureller und spiritueller Verlust. Den Großteil unserer Geschichte hindurch haben wir die Sterne gesehen, uns mit ihrer Hilfe räumlich und zeitlich orientiert, Geschichten über sie erzählt und erlebt, dass wir Teil eines größeren Ganzen sind.

Der Verlust der Dunkelheit in der Nacht hat aber auch gesundheitliche Folgen: Ist es zu hell, dann kann unser Körper das Schlafhormon Melatonin nicht ausreichend bilden, und wir schlafen schlecht. Langfristig kann ein Melatoninmangel sogar Krebserkrankungen auslösen.

Lichtverschmutzung ist auch für die Natur schädlich

Die sogenannte Lichtverschmutzung ist auch für die Natur sehr schädlich. Deutlich sichtbar sind Insekten, die um Straßenlaternen, um Lichter an Gebäuden oder in Gärten flattern und immer wieder dagegen fliegen. Insekten orientieren sich am Licht des Monds und der Sterne und werden deshalb von einer Lichtquelle magisch angezogen. Dabei sterben Milliarden Insekten, weil das ständige Kreisen sie erschöpft, weil sie an dem Scheinwerfer verbrennen oder weil Fressfeinde sie leichter erwischen können.

Zugvögel sind häufig nachts unterwegs und orientieren sich an den Sternen. Sind diese nicht mehr sichtbar oder werden die Vögel von Scheinwerfern geblendet, können sie in Hindernisse fliegen und sterben. Auch Fledermäuse, Füchse, Igel, Marder und zahlreiche andere Lebewesen sind nachtaktiv und werden durch zu viel Licht bei der Futtersuche und der Fortpflanzung gestört oder sind leichtere Beute. Sogar Pflanzen leiden unter hellen Nächten. Bäume, die neben einer Laterne stehen oder gar angestrahlt werden, werfen im Herbst zu spät ihre Blätter ab und frieren dadurch ab.

Beleuchtung reduzieren und verändern

Die Gemeinden des Naturnachtgebiets setzen deshalb Maßnahmen für eine dunklere Nacht: Sie schalten nicht notwendige Beleuchtungen ab, bekleben zu bläulich leuchtende Laternen mit Folie, beleuchten Kirchen und andere Gebäude mit Lampen, die nach unten leuchten statt in den Himmel und informieren die Bevölkerung, wie Licht sinnvoll genutzt werden kann, ohne zu schaden. Davon profitieren werden auch Besucherinnen und Besucher des Naturnachtgebiets: Sie können die natürliche Dunkelheit und den Sternenhimmel an speziellen Plätzen und bei geführten Nachtwanderungen erleben und genießen.