Armut und Triumphe
Die dunkle Stimme des Rembetiko
Sotiria Bellou ist eine der namhaftesten Sängerinnen des Rembetiko, dem "griechischen Blues". Hat man einmal ihre tiefe, rauhe Stimme gehört, vergißt man sie nicht mehr. Außerhalb Griechenlands ist sie jedoch nur wenig bekannt.
8. April 2017, 21:58
Sotiria Bellou zählt zu den bedeutendsten Sängerinnen des Rembetiko. Diese Musikrichtung wird - vor allem aufgrund der Texte - oft als "griechischer Blues" oder als "Musik der Unterwelt" bezeichnet. Bellous Leben selbst gleicht dem Text eines ihrer Lieder: Bitterste Armut und Gefängnis erlebte sie genauso wie Triumphe und Anerkennung.
Sie war dafür berüchtigt, ihr Leben stets ohne Kompromisse zu führen. Aus ihrer lesbischen Neigung machte sie kein Hehl. Zu einer Zeit, als so etwas unerhört war, flirtete sie offen mit Frauen und trug mit Vorliebe Männerkleidung. Nach eigenen Angaben verlor sie einige Vermögen beim Glücksspiel.
Ohne Sentimentalität
Sotiria Bellous Stimme klingt rauh, fast männlich. Ohne Sentimentalität singt sie von Glück und Unglück, Liebe und Haß, wie sie es selbst erlebt hat. Diese Unmittelbarkeit und Authentizität war es wohl auch, die ihr zu ihren Erfolgen verhalfen und den Hörer noch heute in ihren Bann schlägt.
Geboren wurde Sotiria Bellou am 29. Aug. 1921 in Drossia (Euböa). Ihr erster musikalischer Einfluß waren die byzantinischen Gesänge ihres Großvaters, des Priesters Sotiris, in dessen Haus sie die ersten zehn Jahre ihres Lebens verbrachte.
Mit 17 verheiratet
Als sie den Film "Das Flüchtlingsmädchen" mit der Sängerin Sophia Vembo sah, stand - nach ihren eigenen Angaben - ihr Berufswunsch fest: Sie wollte unbedingt Sängerin werden. Wohl um ihr diese "Flausen" auszutreiben, wurde Bellou mit 17 Jahren verheiratet.
Die Ehe hielt nur wenige Monate: Als sie die Mißhandlungen ihres Ehemanns nicht mehr aushielt, schüttete sie im Vitriol ins Gesicht, was ihr einen Gefängnisaufenthalt von vier Monaten eintrug.
Kriegsjahre in Athen
Mit 19 Jahren nahm sie ihr Leben selbst in die Hand: Am 29. Oktober 1940, einen Tag nachdem Griechenland "nein" zu Mussolini gesagt und Italien Griechenland den Krieg erklärt hatte, ging sie alleine nach Athen, um dort ihr Glück zu versuchen.
Über die folgenden Kriegsjahre und Jahre der deutschen Okkupation (1941-1944), als Hungersnöte das Land heimsuchten, konnte sie sich mit Gelegenheitsarbeiten (als Tellerwäscherin oder Zigarettenverkäuferin) nur schlecht über Wasser halten. Sie trat der kommunistischen Partei bei und war im Widerstand tätig, weshalb sie mehrmals inhaftiert und geschlagen wurde.
Die Entdeckung
Schließlich kaufte sie sich eine Gitarre und begann in Tavernen zu singen. Auf diese Weise erfuhr der berühmte Rembetiko-Komponist Vassilis Tsitsanis von ihr. Dieser legte den Grundstein für Bellous Karriere. Sie traten gemeinsam auf und Tsitsanis begann, Lieder für sie zu schreiben.
Bellous erstes Album erschien 1947 und war ein ungeheurer Erfolg. Die nächsten zehn Jahre markieren den Höhepunkt von Sotiria Bellous Karriere. Viele Komponisten begannen für sie Lieder zu schreiben und sie trat in den berühmtesten Clubs von Athen auf.
Zurück zu den Anfängen und Neubeginn
Anfang der 1960er Jahre verlor das Rembetiko zusehends an Beliebtheit. Sotiria Bellou wollte ihren Stil nicht ändern und trat mehrere Jahre nicht mehr auf. Wie zu Beginn ihrer Laufbahn hielt sie sich nur mühsam über Wasser, indem sie unter anderem Kassetten in den Straßen verkaufte, bis es abermals zu einer Wende kam.
Der Direktor der Plattenfirma Lyra "entdeckte" Sotiria Bellou und sie begann ab 1966 wieder zu singen und Plattenaufnahmen zu machen. Auch das Rembetiko erfreute sich - vor allem in der Zeit der Militärjunta ab 1968 - wieder größerer Popularität. Bellous Karriere erreichte einen neuen Höhepunkt, als sie ab 1975 mit der neuen, jungen Generation griechischer Musiker zusammenarbeitete, allen voran mit dem Liedermacher Dionysis Savvopoulos.
Rembetissa des alten Stils
Trotzdem blieb sie auch weiterhin ihrem Stil treu: Nach alter Rembetes-Tradition stand sie beim Singen nicht auf, sondern saß zwischen den Buzuki-Spielern. Fotos zeigen sie beim Singen mit der unvermeidlichen Zigarette zwischen den Fingern, in Männerhemden und -hosen, das Haar mit Gel zurückgeglättet.
Am 27. August 1997 starb Sotiria Bellou an Luftröhren-Krebs. Der griechische Staat bezahlte nicht nur einen Teil ihrer Spielschulden, sondern gab ihr auch ein Ehrengrab - auf ihren eigenen Wunsch hin in der Nähe des Grabes von Vassilis Tsitsanis. In ihren Liedern ist sie in Griechenland auch heute noch lebendig.
Hör-Tipp
Spielräume, Sonntag, 1. Juni 2008, 17:30 Uhr
Buch-Tipps
"Sotiria Bellou", Verlag Odos Panos, Band Nr. 107 (nur auf Griechisch erschienen)
Gail Holst, "Road to Rembetika. Music of a Greek Sub-Culture. Songs of Love", Sorrow und Hashish
CD-Tipps
Sotiria Bellou, "Megales epitychies", Lyra 7714
Sotiria Bellou, "I chrysi epochi", EMI Minos 7243 4 80789 2 6
Sotiria Bellou, "Laika proastia", Lyra
Links
Wikipedia - Sotiria Bellou
Die Zeit - Tanz der müden Krieger