550 Burgtheater-Beschäftigte stehen nie im Rampenlicht

Mutterschiff Burgtheater

Sie sind Maskenbildner, Souffleusen oder Beleuchter - niemals bekommen sie Applaus, nie stehen sie im Rampenlicht. Dennoch fühlen sich die 550 Personen, die hinter den Kulissen des Burgtheaters arbeiten, dem Haus so verbunden wie die Bühnenstars.

Ein Geier auf der Burgtheater-Bühne

Sie erhalten kein Ehrengrab am Zentralfriedhof. Ihre Konterfeis werden nicht in den erlauchten Kreis der Portraitgalerie aufgenommen. Sie werden des Abends nicht vor den Vorhang gebeten oder von mehr als zweitausend Händen frenetisch beklatscht. Und ihre Namen werden niemals in den Marmor der Feststiege gehauen werden, ja das normale Publikum hat in Wahrheit noch nie von ihnen gehört.

Doch sie sind da. Unverzichtbar - als unsichtbar-lebensnotwendiges Kreislaufsystem des Burgtheaters. Die Rede ist von den mehr als 550 "guten Geistern" des Hauses. Jenen Menschen, die tagtäglich zum Gelingen des großen Ganzen beitragen, ihr Schärflein beitragen, dass der große Theaterzauber seine volle Wirkung entfalten kann. Dass die mehr als 400.000 Besucher jährlich hingerissen sind. Sie werken im Stillen statt im Rampenlicht, glänzen nicht vor, sondern hinter den Kulissen.

Ideen werden Realität

Ob Billeteur, Beleuchter, Sekretärin, Garderobiere, Maskenbildner, Tapezierer, Friseurin oder Akustiker. Ohne ihre Arbeit stünde das Werkl im ehrenwerten Haus am Ring ganz schnell still. Sie zaubern aus einer einfachen Robe ein Königinnengewand, sie bedienen die elektrohydraulischen Knöpfe des Schnürbodens und sie flüstern den Stars bei Hängern den Text aus dem Souffleurkasten zu.

Sie sorgen auf den Brettern, die auch für sie die Welt bedeuten, für die Sicherheit und ersetzen die Glühbirne, sollte eine der 600 Lampen des Hauptlusters ausfallen. Sie erklären Tag für Tag interessierten Touristen und Wienern die Deckenmalereien von Klimt und die Büsten der Ehrengalerie, sie geben blassen Wangen Farbe, lassen händisch den Theaterdonner losgrollen, testen, ob der eiserne Vorhang tatsächlich in 28 Sekunden schließt, wie er soll und zerbrechen sich die Köpfe, um die Ideen von Meisterregisseuren und Bühnenbildnern Realität werden zu lassen.

Dutzende Mitarbeiter sind seit Jahrzehnten am Burgtheater beschäftigt, bei vielen waren es schon die Eltern. Die meisten würden niemals tauschen. Sie sprechen von "Mutterschiff", nicht Arbeitsplatz.

40 Tonnen Erde

"Es ist eine Auszeichnung am besten deutschsprachigen Theater mit den besten Schauspielern und Regisseuren zusammenarbeiten zu dürfen", sagt Heinz Filar, der Technische Direktor des Hauses, seit 40 Jahren an der Burg. Es klingt stolz und demütig gleichzeitig. Gemeinsam mit Bühneninspektor und Stellvertreter Ernst Meissl, dessen Vater schon als Schlosser in den Werkstätten tätig war, macht er Tag für Tag das Unmögliche möglich. Sie fertigen aus Plastikbällen und Folie 70.000 Stück Mozartkugeln oder lassen sich einen Trick einfallen, wie man 40 Tonnen Erde auf der Bühne zwei Stunden lang beregnen kann.

Und wie man die Wassermassen wieder ableitet. Sie besorgen lebende Geier aus der Greifvogelstation in der Hagenbachklamm oder lassen unter dem vermeintlichen Gewicht eines falschen eisernen Vorhangs einen Leiterwagen so echt aussehend bersten, dass ein besorgter Zuschauer aus der Steiermark einen Ersatz-Leiterwagen anbietet. Sie bauen mit ihrem Team in Sekundenschnelle gigantische Kulissen um, die 350-Tonnen-Drehzylinderbühne könnten sie mit links wohl auch im Schlaf bedienen. Innerhalb von nur 72 Stunden werden sie das Burgtheater in eine Fußball-Arena umbauen - Sportkunstrasen inklusive. "Das Burgtheater ist eine eigene Welt" sagen sie.

Die höchste Ehre
Vor 50 Jahren stand Karin Maier selbst als Komparsin auf der Burgtheaterbühne. Heute führt sie täglich um 15:00 Uhr durch das Theater - sie klingt enthusiastisch, begeistert, engagiert und stolz - auch wenn sie den Rundgang bestimmt schon tausend Mal gemacht hat. Der Titel "Doyen" und "Doyenne" ist die höchste Ehre, die einem ältesten noch lebenden aktiven Schauspieler und einer Schauspielerin am Burgtheater zu teil werden kann. Michael Heltau und Annemarie Düringer wurden nicht von einer einzelnen Person, sondern vom "Haus" für die Titel erkoren. Auch der technische Betriebsrat darf da mitreden.

Die Burg hat eine eigene Feuerwehr und einen vom Burgtheater Sportclub Jahr für Jahr organisierten Hausball. Da sitzen sie an einem Abend im Jahr alle zusammen und leben das "Familiengefühl" aus. Vom Herrn Direktor bis zum Kartenabreißer. Vom strahlenden Jungschauspieler bis zur Toilettenfrau. Von der kaufmännischen Geschäftsführerin bis zum Portier. Da feiern sie im Kasino am Schwarzenbergplatz Seite an Seite und tanzen bis spät in die Nacht.

Zwischen Tradition und Avantgarde
Es ist scheinbar die unvergleichliche Mischung aus leicht angestaubter Tradition und avantgardistischem Modernseinwollen, die verbindet. Die lange Geschichte des Hauses und der Mix aus bodenständig Wienerischem, der die Beschäftigten am Wiener Burgtheater im zauberhaften Welttheater-Flair zusammenschweißt.

Gemeinsam wagen sie täglich aufs Neue den Spagat zwischen Pathos und Patina, Stück und Stuck, zwischen Kunst und Krisen. Abend für Abend ziehen sie an einem gemeinsamen Strang - um das Publikum mit schönem Schein zu verführen.

Hör-Tipp
Journal-Panorama, Dienstag, 3. Juni 2008, 18:25 Uhr

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