Leistung im Freizeitsport

Krank durch zu viel Sport

Hobbysportler absolvieren aufwändige Trainingsprogramme, lassen sich von Medizinern beraten, schlucken Aufputschmittel, bewältigen Marathons und Triathlons. Manche leiden an Überlastungssyndromen wie einst nur Spitzenathleten. Was meinen Sie dazu?.

Norbert Doubek hat mit Anfang 30 zum ersten Mal einen Marathon gelaufen. Nach fast 20 Jahren im Alter von 49 Jahren probierte er es wieder. Er begann zu trainieren, lief 50 Kilometer pro Woche. Am Computer erstellte er Tabellen mit seinen Laufzeiten und freute sich über steigende Kurven: Er wurde schneller.

Gleichzeitig spürte er Schmerzen: Die Archillesferse, seine Knöchel, die Schienbeine und Knie taten ihm weh. Beim Training mit einer jüngeren Laufpartnerin konnte er mithalten, bis ihn eine entzündete Sehne im linken Knie während des Laufens zum Aufgeben zwang. Statt beim Marathon in Wien mit zu machen, lag er eine Woche zu Hause im Bett und schluckte Schmerzmittel. Es dauerte Monate bis er sein linkes Bein wieder bedenkenlos aufsetzen konnte. "Ich habe für meine Blödheit ordentlich bezahlt", sagt Norbert Doubek.

Zu viel, zu schnell
45 Prozent der Freizeitläufer muten sich zu viel zu. Zu dem Ergebnis kam eine Studie der deutschen Sporthochschule in Köln. Die Hälfte der untersuchten Jogger hatte zu hohe Milchsäurewerte im Blut - ein Zeichen von Überforderung. Die Folge können Koordinations- und Herz-Ryhthmus-Störungen sein. Die starke Belastung der Gelenke kann zu frühzeitiger Abnützung führen und Arthrose begünstigen.

Der Wiener Sportmediziner Paul Haber hat einige Hobbysportler betreut, die ihre Grenzen überschritten haben. Den Leistungstest, den ein 50-jähriger Mann bei ihm absolvieren wollte, musste Paul Haber nach wenigen Minuten abbrechen: Der Blutdruck des Freizeitläufers stieg schon bei geringer Belastung in gefährliche Höhen.

Ein anderer Patient um die 45 Jahre wurde mit Herzrhythmusstörungen ins Krankenhaus eingeliefert: Er hatte untrainiert drei Monate regelmäßig Gewalttouren auf dem Mountainbike absolviert.

Übertraining (OTS - Overtraining Syndrom)
Bekommt der Körper nicht genug Zeit, um sich zu regenerieren, kann es zu dem so genannten Übertrainingssyndrom kommen. Die Leistung sinkt. Man schindet sich vergebens und gefährdet die Gesundheit. Übertraining kann dazu führen, dass Sportler krankheitsanfälliger werden, Gewicht verlieren, keinen Appetit mehr haben, chronisch müde sind und depressiv werden. Waren früher nur Spitzensportler gefährdet, trifft es jetzt auch mehr Hobbysportler.

Vom Prinzip her sei das mit dem so genannten Burnout-Syndrom im Berufsleben vergleichbar, sagt der Sportmediziner Paul Haber. Aus zu viel Ehrgeiz werden Schmerzen und Erschöpfung ignoriert. Phasenweise scheinen die Symptome tatsächlich zu verschwinden. Paul Haber: "Sportler neigen zum Dissimulierien. Beim Simulieren täuscht man etwas vor, was nicht da ist. Beim Dissimulieren täuscht man etwas weg, was da ist." Das Unterbewusstsein zaubert die Schmerzen weg.

Extreme sportliche Leistungen für Hobbysportler
Immer mehr Menschen muten sich in ihrer Freizeit hohe sportliche Leistungen zu: Mehr als 10.000 Menschen laufen jährlich einen Marathon in Österreich. Also 42,2 Kilometer. Auch der so genannte Ironman - ein Extrem-Triathlon - entwickelt sich zum Breitensport.

Die 2.400 Plätze für den Ironman in Kärnten im Juli waren bereits 19 Stunden nach Anmeldebeginn ausgebucht. Der Großteil der Teilnehmer ist berufstätig, auch Senioren sind dabei. Das Programm: Vier Kilometer Schwimmen, anschließend 180 km Rad fahren und dann noch einen Marathon laufen.

Selbstquälerei - aus der Unlust erzeugte Lust
Sport ist so attraktiv, weil er Leistung kultiviert. Marathonläufer sind nicht mehr nur privat stolz auf ihre Leistung. Bei einer Bewerbung steht der Marathon im Lebenslauf. Das Leistungprinzip der Arbeitswelt hat den Freizeitbereich ergriffen und dehnt sich auf die gesamte Person aus, schreibt die deutsche Philosphin Undine Eberlein: Die Maximierung individueller Leistung und Fitness wird zum Maßstab der Marktgängigkeit der Einzelnen.

Hör-Tipp
Moment, Dienstag, 10. Juni 2008, 17:09