Sintflut-Oper

Donizetti-Raritäten

Gaetano Donizetti abseits von "Liebestrank", "Lucia", "Don Pasquale": Da geht es um Kampf und Liebe zwischen Guelfen und Ghibellinen - in "Imelda de'Lambertazzi". Und sogar um Noah und die biblische Sintflut - in "Il diluvio universale".

Wenn man einmal die Aufführungen einer Donizetti-Oper seit der Uraufführung 1830 in Neapel an den Fingern einer einzigen Hand abzählen kann, wird es selbst für Donizetti-Raritäten-Jäger eng: 1830 - 1834 - 1985 - 2005 (da hat in London das Belcanto-Plattenlabel "Opera rara" eine konzertante Aufführung auf die Beine gestellt, mit anschließender CD-Einspielung), dazwischen war es totenstill um "Il diluvio universale", Gaetano Donizettis biblische Oper mit der Sintflut als Finale.

Am Teatro San Carlo, wo der junge Donizetti noch vor seinen Welterfolgen engagiert war, hatte "Il diluvio universale" Premiere, und summa summarum ist das Stück doch mehr Oper als Oratorium - dafür garantierte schon Luigi Lablache in der Bassrolle des Noah, einer der berühmtesten Sänger der Epoche, der Donizetti bis in dessen Pariser Zeit begleiten sollte, bis zum "Don Pasquale" 13 Jahre später.

Aufgepfropfte Liebes- und Eifersuchtshandlung

Im Personenregister vom "Diluvio universale" finden sich auch Namen wie Cadmo und Sela, Noah-Feind und Noah-Anhängerin, ein Ehepaar am Scheideweg: Cadmo zieht es zu seiner Geliebten Ada, Sela sieht den Weltuntergang kommen und wird auf Noahs Arche Zuflucht suchen.

Trotz dieser dem biblischen Stoff aufgepfropften Liebes- und Eifersuchtshandlung bleibt "Il diluvio universale" inhaltlich ein Kuriosum, aber vertont in der speziellen, energiegeladenen und zugleich melodiensatten Art, für die Gaetano Donizetti bald nach dem "Diluvio" weit über Italien hinaus bewundert wurde, und wie man sie von ihm später wieder und wieder hören wollte.

Ein Paar wie Romeo und Julia

Ebenfalls für Neapel 1830 ist "Imelda de'Lambertazzi" entstanden, die bald nach der Premiere ähnlich in Vergessenheit geriet, erst 1989 in Lugano nach über 140 Jahren Pause wieder wach geküsst und jetzt von "Opera rara" neu aufgenommen wurde - übrigens mit der jungen Sopranistin Nicole Cabell, die sich im Karriere-Aufwind befindet, und mit dem auf historischen Originalinstrumenten spielenden Orchestra of the Age of Enlightenment unter der Leitung von Mark Elder.

"Imelda de'Lambertazzi" bringt eine Geschichte à la Romeo und Julia auf die Bühne: Es lieben einander Imelda und Bonifacio, im alten Bologna der Guelfen und Ghibellinen, und sie gehören verfeindeten Familien an, den Häusern Lambertazzi und Gieremei. Bonifacio ist einer der Gieremei, die, aus der Stadt verbannt, Bologna quasi als Terroristen in Angst und Schrecken versetzen, aber was noch interessanter ist: Er ist nicht Tenor, wie zur Sopranistin Imelda von den Lambertazzi zu erwarten wäre, sondern Bariton.

Wer immer die Partie singt, tritt in die Fußstapfen von Antonio Tamburini, der einer der berühmtesten Baritonisten der Epoche war. Nachdem Imeldas rachsüchtiger Tenor-Bruder diesen Bonifacio mit einem Schwert mit vergifteter Spitze getötet hat, versucht Imelda, das Gift aus Bonifacios Wunde zu saugen, und wird so selbst zum Opfer. Musikalische Genugtuung: Der Sopranistin fällt in Form einer fesselnden Wahnsinns-Szene das Finale einer Oper zu, in der unter der wohlklingenden Oberfläche allerorts Rache und Heimtücke lauern.

Vom Premierenpech nicht erholt
Im Bühnenalltag völlig übergangene Donizetti-Opern, denen man bestenfalls bei Raritäten-Festivals begegnen kann, finden sich allerdings auch in der späteren Lebensphase des Komponisten, als es ihn schon zwischen Aufträgen aus Italien, Wien, Paris fast zerriss. Für Rom entstand 1841 "Adelia". Bei der Premiere, mit Verdis späterer Dauer-Lebenspartnerin Giuseppina Strepponi in der Titelrolle, wurden mehr Eintrittskarten verkauft als es Sitzplätze gab, das Publikum im Saal tobte aus Ärger über das Stück mit den Ausgesperrten vor dem Theater um die Wette, bis das Orchester aufgab.

"Adelia", derart durchgefallen und seither nie mehr populär geworden, verlegt die klassische Opernsituation "Bürgermädchen in der Adelswelt" ins Burgund Karl des Kühnen, die Vertonung bleibt den Spannungen, Konflikten und Gefühlsaufwallungen nichts schuldig. Gewiss, Donizetti hatte zu der Zeit so viele Aufträge, dass er manches aus dem Ärmel schütteln musste, aber die Musik - einmal elegisch, einmal mitreißend - ist doch immer ganzer Donizetti. Was Gustav Kuhn 2006 bei einer konzertanten Aufführung der "Adelia" mit dem Haydn-Orchester Bozen und Trient, dessen Chefdirigent er ist, unter Beweis gestellt hat.

Hör-Tipp
Apropos Oper, Donnerstag, 12. Juni 2008, 15:06 Uhr