Energierevolte oder langfristige Innovation

Wie leben wir ohne Öl?

Der Ölpreis erreicht täglich neue Rekorde. Wie werden wir leben, wenn die Energiekosten einen großen Teil unseres Gehalts verschlingen? Wird es auch bei uns soziale Unruhen geben? Zukunftsforscher denken längst über diese Fragen nach.

Florian Haslauer, Energieexperte von AT-Kearney

"Ich bin überzeugt, dass das, was wir täglich an den Energiemärkten erleben, zu einem großen Bruch führen wird, der kurzfristig zu großen Belastungen führen wird", sagt Wirtschaftsforscher Stefan Schleicher, Klima- und Energieexperte am Institut für Wirtschaftsforschung. Schleicher hat auch große Sorge, dass es mehr gravierende Konflikte und Kriege im Kampf ums Öl geben wird, wie etwa den Irakkrieg.

Starke Einschränkungen
Der Zukunftsforscher Daniel Maerki vom Wiener Institut Das Fernlicht hält auch soziale Konflikte bei uns für denkbar. Denn wenn die Energiepreise weiter steigen, werde das Einschnitte bedeuten, die uns heute undenkbar scheinen. "Wenn sie nur mehr ein Zimmer beheizen können, dann sind das schon fast Zustände wie im Krieg, wenn sie de facto das Auto nicht mehr benutzen können und nicht mehr auf Urlaub fahren können, dass es dann friedlich zugeht, kann ich mir nicht vorstellen".

Die Schmerzgrenze ist noch nicht erreicht

In Ölkonzernen will man von solchen Szenarien nichts wissen. Firmen wie die OMV könnten es sich einfach machen und sagen: je höher der Preis, desto höher die Einnahmen. Aber auch Ölkonzerne wissen: irgendwann kommt der Punkt, wo ihnen hohe Preise schaden, nämlich, wenn sich ihre Produkte kaum mehr jemand leisten kann.

Walter Böhme, Leiter der Abteilung für Innovation bei der OMV glaubt nicht, dass es schon soweit ist: "Die Schmerzgrenze haben wir noch lange nicht überschritten. Anfang der 1980er Jahre war der Benzinpreis nominell etwa gleich hoch wie heute. Damals war aber das Einkommen niedriger. Der Benzinpreis ist in den letzten 20 Jahren nicht mit der Entwicklung anderer Preise mitgestiegen, er ist eigentlich zu niedrig."

Wirtschaft gibt sich noch unbeeindruckt
Nach wie vor steigt weltweit der Verbrauch von Öl und Gas. Auch Florian Haslauer, Energie-Experte des Beratungsunternehmens AT-Kearney sieht die Schmerzgrenze noch nicht überschritten, aber in Reichweite. Die Wirtschaft sei bislang noch unbeeindruckt, auch beim Verbrauch im Verkehr tue sich noch wenig. Nur beim Heizen ändere sich was, Ölheizungen würden praktisch nicht mehr eingesetzt. Erst wenn der Ölpreis bei 200 pro Fass liege, werde es zu einem Umdenken kommen, sagt Haslauer.

Besser gleich umstellen
Wirtschaftsforscher Stefan Schleicher sagt, wir sollten uns lieber gleich auf Veränderungen einstellen. Etwa beim Autokauf ein Auto suchen, das um rund ein Viertel weniger Treibstoff braucht. Oder bei der Wahl des Wohnsitzes darauf achten, ob es auch eine Anbindung an den öffentlichen Verkehr gibt, damit man nicht aufs Auto angewiesen ist.

Wohnen, Arbeitswelt, Verkehr - dort werden die hohen Energiepreise am stärksten spürbar sein.

Neues Verhältnis zum Auto
Bisher scheint das Autofahren die größte Sorge vieler Menschen zu sein. Zukunftsforscher Daniel Maerki erwartet aber, dass sich die Beziehung vieler Menschen zu ihrem Auto abkühlen wird. Hier werde es zu einem pragmatischen Ansatz kommen. Das zeige das Konsumverhalten auf Ebay. Man besitze Sachen, nur wenn man sie brauche, wenn man sie nicht mehr brauche, gäbe man sie wieder ab. Auch Ideen aus den 1970er Jahren könnten wieder kommen, sagt Maerki, etwa ein autofreier Tag.

Erwartbare Verzögerungen
Seit den 70er Jahren hat sich aber viel verändert - Tausende haben Einfamilienhäuser im Grünen gebaut, ohne Anschluss an öffentlichen Verkehr. Der Weg zur Arbeit mit dem Auto ist fix eingeplant. Energie-Experte Florian Haslauer glaubt deshalb nicht, dass wir unser Verhalten so leicht ändern werden. Er erwartet sich aber viel vom technischen Fortschritt. "Es wird aus meiner Sicht dahin gehen, dass verbrauchsärmere Autos stärker nachgefragt werden, die Industrie wird sich statt auf die Leistungserhöhung auf den Verbrauch konzentrieren, vielleicht kommt auch das Elektrofahrzeug".

Wirtschaftsforscher Stefan Schleicher meint außerdem, künftig werde man öfter von zu Hause arbeiten, das würde den Verkehr entlasten und die Kosten fürs Pendeln reduzieren.

Neue Fördermodelle
Der falsche Weg ist es für Schleicher dagegen, Pendlerpauschale und Kilometergeld zu erhöhen. Damit würde das Autofahren subventioniert - das falsche Signal. Und auch beim Wohnbau soll sich was ändern. Die Förderung von Einfamilienbauten etwa, soll zurück genommen werden, im Vergleich zu Mehrgeschoßbauten. Aber vor allem soll die Wohnbauförderungen nur mehr für neue Gebäude die dem Passivhausstandard entsprechen, vergeben werden, sagt Schleicher.

Neue Ideen
Zukunftsforscher Daniel Maerki meint auch, dass es sich viele Menschen bald nicht mehr leisten können, allein zu wohnen. Maerki erwartet neue technische Konzepte, zum Beispiel runde Wohnhäuser, die sich mit der Sonne drehen. Im Winter der Sonne zugewandt, um die Wohnräume zu heizen, im Sommer von der Sonne abgewandt, damit es in den Wohnräumen nicht zu heiß wird.

Energiewirtschaft setzt auf langfristigen Wandel
OMV Innovations-Manager Walter Böhme ist weniger visionär. Er setzt auf technische Verbesserungen und hält Energie sparen ohne schmerzhafte Einschnitte für möglich. Das zeige die Vergangenheit: "Wir haben heute kein Problem mehr mit der Luftqualität, wie noch von 20, 30 Jahren, Smog, Kohlenmonoxid, das ist sind völlig vorbei. Die Autos sind besser und billiger geworden, das war völlig schmerzlos für den Konsumenten". Das gleiche sei auch auf der Verbrauchsseite möglich, nur würde es lange dauern, bis die Autohersteller reagieren und die Fahrzeugflotte ausgewechselt sei. Bei Heizsystemen fürs Wohnen würde die Umstellung noch länger dauern.

Auch Energie-Experte Florian Haslauer erwartet keinen radikalen Bruch mit dem derzeitigen System, sondern schrittweise Veränderungen. Er hält es aber für möglich, dass wir die oft diskutierte Energiewende schaffen können. Vielleicht sei in 20 bis 30 Jahren gar keine fossile Energie mehr im Einsatz.

Herausforderung für die Politik
Egal ob die Veränderungen eher langsam kommen, oder ob sich ein radikaler Wandel vollzieht - alle Experten erwarten, dass die Regierungen wegen der hohen Preise weiter unter Druck geraten. Zukunftsforscher Daniel Maerki sagt, wenn sich der Alltag der Menschen sehr stark verändere, würde der Druck auf die Politiker wachsen, die Preise zu regulieren. Den Ölpreis amtlich zu begrenzen - das könne keine Dauerlösung sein, sagt Energieberater Florian Haslauer von ATKearney. Damit würden die eigentlichen Probleme nicht gelöst.

Denn auch in diesem Punkt sind sich Energie-Experten, Zukunftsforscher und Wirtschaftsforscher einig: über kurz oder lang müssen wir unser Energiesystem umstellen. Je länger wir davor die Augen verschließen, desto schmerzvoller werden wir den Wandel erleben.

Hör-Tipp
Saldo, Freitag, 13. Juni 2008, 9:45 Uhr

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