Fußball oder nicht Fußball
Bekenntnisse eines Fast-Fans
Zugegeben: ich habe eine kleine Affinität zu Fußball. Dennoch freue ich mich nicht unbedingt über die EM bei uns und unseren Nachbarn. Denn das Hauptthema, wo immer man hinkommt, sind die gestrigen Spiele! Und das nervt. Aber nur ein bissi!
8. April 2017, 21:58
Nun läuft die EM gerade eine Woche plus einen Tag und sie beherrscht einfach alles. Menschen, von denen ich nie im Leben gedacht hätte, dass sie Fußball schauen, berichten enthusiasmiert vom Spiel X oder vom Spiel Y. In jeder abendlichen Versammlung wird der Letztstand des aktuellen Spiels durchgegeben samt so kleinen Details wie: "Es regnet immer noch!" oder "Eine absolute Fehlentscheidung!" Ehrwürdige Stadtplätze werden durch Riesenleinwände verschandelt, selbst in kleinen Städten wie unserem Melk. Es gibt Gesprächsstoff noch und noch, über großartige Spiele, unverzeihliche Schiri-Fehler, Luschen und Helden. Und: es gibt Anti-Fußball-Partys, bei denen im Hintergrund der Fernseher läuft - ohne Ton!
Ich gebe es zu, ich mag Fußball. Ich bin zwar kein echter Fan, und niemand wird mich in einer dieser Fan-Zonen finden, da ist mir ganz einfach zuviel Gedränge. Ich vermeide Gedränge, wo immer es geht. Auch bei diversen Freiluftkonzerten steh' oder hocke ich nicht in der Mitte, sondern vaziere am Rand der Hörerschaft herum, suche mir die besten Schau- und Hörplätze aus und genieße das Geschehen auf der Bühne mit Hilfe meines Binokels. Ich mach' das auch beim Fußball so. Als Fan Light sitze ich zwar vor dem Fernseher, habe aber einen ganzen Stoß zu bearbeitender Dinge neben mir. Bringe mein CD-Archiv auf Vorderfrau, schreibe Einkaufs- und To-Do-Listen, lese Krimi. Da kann es dann schon passieren, dass ich total auf das Spiel, das gerade läuft, vergesse. Bis mich mein Schatz durch Aufstöhnen oder einen Jubelschrei wieder in die Wirklichkeit zurückholt.
Zuweilen schafft das auch mein Kater: Am Mittwoch stand er offenbar eine Weile schon mit einem mäuslichen Geschenk im Mäulchen vor mir - und ich habe ihn nicht bemerkt. Lief ja auch dieses Wahnsinns-Regen-Match, Sie erinnern sich? Wasserfußball vom Feinsten! Manchmal blieb der Ball einfach stehen. Manchmal düsten die Spieler gegen die Bande, als wären sie auf einem Eislaufplatz. Ich also völlig gebannt und mein Kater vor mir, unbeachtet. Was tut also ein intelligenter Kater in einer solchen Situation? Genau: Er springt auf Fraulis Schoß. Mit Geschenk! Erfreulicherweise war ich so geistesgegenwärtig - was nicht selbstverständlich ist! - nicht zu schreien! Meine ersten Worte: „Jö, Du braver Jäger!!!“ Immerhin ist Fraulis Liebling als Mäusekiller angestellt worden. Mit von ihm unterzeichnetem Vertrag!
Ich sag Ihnen, ich war wirklich froh, dass das Geschenk nicht mehr lebte. Und ich sollte meinem Kater in diesen Fußballzeiten wieder mehr Aufmerksamkeit schenken, denn der ist’s imstande und bringt mir ein lebendes Mäuschen. Und dann hab ich mich nicht mehr so richtig in der Gewalt. Hab' ich je erzählt, wie meine beiden Miezen mir höchst interessiert zugesehen haben, als ich ihnen eines ihrer Geschenke von hinter dem Gläserkasten im Esszimmer mittels eines langen Bambusstabs vor die Pfoten treiben wollte? Ihre Gesten und ihr Mienenspiel war eindeutig: Sie meinten, ich müsse noch ein wenig üben. Und im Übrigen wären sie für derartige einmal verschenkte Mäuse nicht mehr zuständig! Ich habe das arme Tierchen schließlich in eine Ecke getrieben, ein Handtuch auf das zitternde Mäuschen geworfen, in dem es sich erfreulicherweise für mich verwurstelt hat, und hab es in den Garten gebracht. Ganz nach hinten, wo es ins Nachbargrundstück entweichen konnte.
Zurück zum Fußball. Soll ich Ihnen verraten, welches Buch mich vom Spiel weglocken konnte? Zwei waren es. Das eine ein Buch über meinen Lieblingsfluss, die Donau. "Graue Donau, Schwarzes Meer. Wien, Sulina, Odessa, Jalta, Istanbul". Gemacht, als wäre es ein überdimensionales Ö1 Feature. Geschichte und Geschichten, Fotos, Interviews und Ansichten, Meditationen, Lyrik, Landkarten. Ein Reisebuch für die Seele, am besten - freundlich begleitet von einem Glas kühlen Wachauer Weins - in der Hängematte zu genießen oder im Schaukelstuhl darüber nachzudenken.
Das andere ein Krimi. Eigentlich vier Krimis, denn die kubanischen Kultkrimis von Leonardo Padura, das Havanna-Quartett, sind jetzt in einem Band erschienen. Und ich liebe diese "Quartett"-Bücher, seit mir vor vielen Jahren das "Alexandria-Quartett" von Lawrence Durrell in die Hände gefallen ist. Sollte auch wieder mal die außerordentlich bewegende Marseille-Trilogie von Jean-Claude Izzo lesen, fällt mir ein.
Eines muss ich allerdings noch loswerden zum Thema Fußball. Liebe Werbe-Fritzen und -Fritzinnen: Fußballer und Fußballfans stammen nicht automatisch in puncto Sprache und Hirn aus der untersten Lade. Frechheit, dass man in den letzten Monaten mit Werbesprechern traktiert wird, die im ordinärsten Slang reden, wenn es um Fußball geht. Die die primitivsten Sprüche äußern, bis hin zur Verunglimpfung und Verspottung völlig unschuldiger Anderer. Das ist nicht in Ordnung!!! Das treibt Fußball-Fans Marke Light, so wie mich, dazu, dieses Beworbene mit Abscheu zu betrachten. Und keinesfalls zu kaufen!!!
So. Wann beginnt unser Spiel?
Buch-Tipps
Christoph Reder und Erich Klein (Hg.), "Graue Donau, Schwarzes Meer. Wien, Sulina, Odessa, Jalta, Istanbul.", Springer WienNewYork
Leonardo Padura, "Das Havanna-Quartett", Unionsverlag
Lawrence Durrell, "Das Alexandria-Quartett", Rowohlt
Jean-Claude Izzo, "Total Cheops. Chourmo. Solea", Unionsverlag