"Funk ist alles Mögliche"

Was ist Funk?

Kürzlich wurde Prince runde 50 Jahre alt. Ist der Megastar der 1980er noch "funky"? Kollegin Madonna drängt aktuell mithilfe der spitzen Bläsersätze und der Falsett-Stakkati eines Justin Timberlake in die Hitaparaden - ist das denn "funky"?

Gitarrist Peter Legat erklärt den Funk

Als Musikstil ist Funk relativ leicht definiert: In den 1960er Jahren entstand eine Zuspitzung von Soul, beruhend auf einer erdigen, auf den Achteln und der Eins sitzenden Spielweise, die seit Urzeiten im Jazz bekannt ist. Die auf allen Instrumenten hart und rhythmisch gespielten Achtelnoten entwickeln im Ensemble durch die Verzahnung der Töne eine spezielle Spannung, Groove genannt.

Die Gitarre imitiert das Schlagzeug, Blechbläsergruppen setzen kollektive Akzente. Diese Basis gibt allen Melodieelementen eine besondere Dynamik. Der Gesangsstil ist emotional wie im Soul, aber weniger fein, sondern rau und direkt, getrieben und antreibend zugleich. James Brown wird der Gottvater des Funk genannt, seine Band definierte das Genre.

Popphänomen Funk

Funk als Popphänomen ist ungleich schwerer zu fassen. Ähnlich wie Punk ist Funk ein Mix aus Musikstil, Ästhetik und diffuser Ideologie. Während Punk (bis heute) den Bilderstürmer markiert, gibt Funk den "Healer".

Damit ist eher ein Medizinmann als ein Erlöser gemeint. Sly & the Family Stones "I Want To Take You Higher" richtet sich in Woodstock harmoniebedürftig und kraftvoll zugleich an die breite Masse. Funk ist die positive Inszenierung, das Derivat dieser Idee dominiert noch heute in hochgezüchteten Modern-R&B-Nummern von Timberlake über die Neptunes bis Rihanna die weltweiten Charts.

Der P-Funk von George Clinton

Dazwischen spielt die Gitarre der 1970er-Funk-Pop-Combo Earth, Wind & Fire den Anfang von "Shining Star". Diese Gitarre klingt schwer nach Country-Rock und ist dennoch kein Widerspruch zum Funk der schwarzen Bürgerrechtler. Die Pharaonenkostüme der Band verweisen mehr esoterisch denn kämpferisch auf Identität. Als sich die rebellischen 68er etablierten, wurde Funk nämlich die schwarze Spielart des Pop- und Rockmainstreams. Eine zweite Linie bildete der formal befreite P-Funk von George Clinton und seinen Freaks.

Punk als Ausdruck der weißen Pop-Revolution ist zuerst Reduktion, die zurück will in die Jugend des Rock’n’Roll. Funk beginnt zehn Jahre vor Punk ebenfalls mit Reduktion, um Kraft der schwarzen Rebellion mit einem rauen R&B-Stil Ausdruck zu verleihen. Diese expressive Kraft führt in ihrem Drang nach Präsenz zur maximalen Inszenierung der Funk Combos im Hallenformat, als Anspruch auf Anerkennung, als Ausdruck der endgültigen Befreiung.

Positive Groove

Funk-Motive der 1970er haben zuerst Disco geprägt und alle späteren großen Popshows ebenso. Die bunten Funk Freaks, der Bombast, die positive Groove. Eine diffuse Idee von Funk wurde über die gesamte Popwelt verteilt. Gleichzeitig schwingen viele ursprüngliche Bedeutungen nach, besonders in den vom Funk abgeleiteten Stilen: Bei Hiphop und Disco/House gehört die Forderung nach "respect" respektive "release" zum Standardrepertoire. (Achtung: Auch "release" in Disco/House meint die irdische und nicht die transzendente Erlösung, aber das ist eine andere Geschichte.)

"Funk is a lot of things to me", sagt Hubert Tubbs. Er sang für einige Zeit bei der Combo Tower Of Power, verkörperte "Funk" im Popbusiness. Heute lebt er in Wien und leiht seine Stimme verschiedenen Projekten, von Funk Bands bis Dance Produktionen. In Texas aufgewachsen, spürt er den Funk in gut gespielter Countrymusik ebenso wie in einem groovy Poptrack. Funk müsse nicht bloß bewegen, sondern auch zur Bewegung anregen, meint der Sänger.

Prince und der reine Funk

Das Spektakel mag im Lauf der Zeit üblich geworden sein, doch auch den großen Combos ging es immer zuerst um die Musik (manche glitten zum Jazz ab, deswegen verschwimmen in den 1970ern auch die Grenzen zwischen Funk-Pop und Jazzrock). Genau diesem Aspekt, um zurück zur eingangs gestellten Frage zu kommen, widmet sich Prince nach wie vor bei jedem seiner Konzerte: Nicht bloß mit einem großen Spektakel zu beeindrucken, sondern das Publikum primär mit Musik zu bewegen.

Neben Pophits wie "Kiss" (1986) hat Prince speziell mit der Nummer "Musicology" (2004) dem reinen Funk ein Denkmal gesetzt. Prince ist also nicht bloß funky, sondern spielt auch expliziten Funk (freilich nicht nur). Madonna hingegen setzt mit ihren Produzenten und Justin Timberlake auf funky Akzente als eines von vielen Registern der Popindustrie.

Hör-Tipp
Radiokolleg, Montag, 16. Juni bis Donnerstag, 19. Juni 2008, 9:45 Uhr

CD-Tipps
Various Artists: "Hot Grits - The Hottest Recipes For Your Funk Kitchen - served by DJ Samir", Vol. 1 und 2, Universal

Prince, "Musicology", Sony

Earth, Wind and Fire, "Gratitude", Sony

Veranstaltungs-Tipps
Tower Of Power / Little Feat / Horny Funk Brothers feat. Hubert Tubbs, Samstag, 5. Juli 2008, Fernwärme Open Air

Etta James, Sonntag, 6. Juli 2008, Wiener Staatsoper (Jazzfest Wien)

Horny Funk Brothers feat. Hubert Tubbs, Samstag, 12. Juli 2008, Groove Cocktail Festival, Wien