Das neue Verhältnis zweier Staaten
Jaguar in indischer Hand
Der Kauf der britischen Traditionsmarken Rover und Jaguar durch den indischen Automobilkonzern Tata Motors gilt als Symbol für die Veränderung im Verhältnis zwischen der ehemaligen britischen Kolonialmacht und seiner einstigen Kolonie Indien.
8. April 2017, 21:58
"Die Kolonie schlägt zurück" lautete ein Titel, mit dem die internationale Presse im Frühjahr 2008 die Übernahme der britischen Automarken Jaguar und Range Rover durch den indischen Tata-Konzern kommentierte.
Im amerikanischen Wirtschaftsmagazin Forbes warnte der Analyst Benjamin Wilson Anfang Juni: "Achtung vor Indiens offensichtlicher Bestimmung. Indien wird zwar noch immer ein Schwellenland genannt, doch man könnte behaupten, dass es die Schwelle bereits überschritten hat. Laut Forbes befinden sich unter den Top zehn Milliardären der Welt vier Inder. Könnten wir es hier mit einem umgekehrten Imperialismus zu tun haben?"
Ganz normale Expansion
Am britischen Sitz von Tata in London bedient man sich eines gemäßigten Tonfalls. Von "zurückschlagen" könne keine Rede sein, erklärt Direktor Syed Anwar Hasan. Man gehe lediglich seinen Weg weiter, und das heißt: "Ein bedeutender indischer Konzern zu sein, ist die erste Stufe unseres Erfolgs. Nun haben wir die Möglichkeit und die Mittel, international tätig zu werden. Wir sind auf dem Weg dazu, ein globaler Spieler zu werden."
Nach der Übernahme der Teefirma Tetley und des Stahlunternehmens Corus war Jaguar die dritte wichtige Übernahme durch Tata in Großbritannien: "Ich muss sagen, dass wir sehr gut aufgenommen worden sind", betont Syed Anwar Hasan.
Am Beginn belächelt
Wie andere große Unternehmen hat auch Tata die Chancen genutzt, die die 1991 erfolgte Liberalisierung der indischen Wirtschaft geboten hat. Gegründet wurde das Unternehmen 1868 unter den schwierigen Bedingungen der britischen Kolonialregierung.
Als Tata Anfang des 20. Jahrhunderts ein Stahlwerk errichten wollte, wurde er von den Briten belächelt. Der damalige britische Chef der indischen Eisenbahn erklärte, wenn ein Inder es schaffen würde, Stahl zu produzieren und Eisenbahnschienen zu erzeugen, würde er diese persönlich "fressen". Aber Tata ließ sich, so wie andere indische Unternehmer seiner Zeit, nicht beirren. Schon zuvor hatte er, nachdem ihm der Zutritt zu einem feinen britischen Hotel in Bombay versagt worden, beschlossen, sein eigenes Luxushotel zu errichten - das Taj, das bis heute zu den Wahrzeichen von Bombay zählt.
Emotionen und Wirtschaft
Inwieweit die koloniale Vergangenheit bis heute nach wirkt, ist umstritten. Wolfgang-Peter Zingel vom Südasieninstitut der Universität Heidelberg verweist auf einen bis heute heiklen Punkt: Die Eroberung Indiens erfolgte im 17. und 18. Jahrhundert durch ein Handelsunternehmen, die Ostindienkompanie. Dieses Trauma sei noch nicht ganz überwunden. Das zeige sich in der bis heute spürbaren Sorge der Inder, dass internationale Konzerne zu viel Einfluss in Indien gewinnen könnten.
Der Vorstoß indischer Unternehmen in Großbritannien wecke hingegen keine unangenehmen Gefühle, ist Peter Robb, Professor für indische Geschichte an der School of Oriental and African Studies (SOAS) in London, überzeugt. "Das britische Establishment ist den Indern wohl gesonnen."
Hör-Tipp
Dimensionen, Mittwoch, 18. Juni 2008, 19:05 Uhr