Norbert Silberbauers letztes Buch
Sieben Sündenfälle
Am 7. Juni 2008 schied der niederösterreichische Autor Norbert Silberbauer aus dem Leben. In seinem letzten Erzählband hat er sich eigenen Aussagen zu Folge "viel Ärger über das Altern von der Seele geschrieben". Es war offenbar nicht genug.
8. April 2017, 21:58
"Ich hab's mit der Religion wenig, oder so wie es jeder Agnostiker mit der Religion hat, aber diese Vorgaben der Sündenfälle oder der Gebote sind eine schöne Schnur, auf der man Erzählungen auffädeln kann", sagte Norbert Silberbauer im Interview. Zorn, Trägheit, Wolllust, Geiz, Hochmut, Unmäßigkeit und Neid werden in dem aktuellen Band beschrieben. Aber es wäre nicht Norbert Silberbauer, würde er religiösen Vorgaben nicht immer wieder brechen. So heißt in seinem vorletzten Erzählband das elftes Gebot ein wenig überraschend: "Du sollst nicht Sport betreiben". Diese Ironisierung findet man auch im aktuellen Buch. Die Texte sind keine moralischen Abhandlungen, nichts, was die Kirche ihren Schäfchen zur seelischen Erbauung empfehlen würde.
In "Wolllust", der wohl stärksten Erzählung, beschreibt Norbert Silberbauer das Leben eines Alleinunterhalters. Von Hochzeit zu Hochzeit tingelt er, immer die schönen alten Schlager spielend. Und dann - gegen vier Uhr in der Früh - wenn sich nur noch die Härtesten oder die Verzweifeltsten am Parkett tummeln, schleppt der Entertainer eine der desperatesten Hausfrauen ab. Silberbauer zeigt den Mann als durchwegs tragische Figur; ein gescheiterter Mensch ist er, dessen juvenile Träume von einer Karriere als Pianist irgendwann im Laufe der Jahre zerbröselt sind.
Blick hinter die Kulissen
Norbert Silberbauer führt seine Protagonisten aber nicht vor. Er macht sich über sie nicht lustig, er will sich nicht über sie erheben, sie nicht als tote Materie für dekonstruktivistische Sprachspielereien benutzen. Er will hinter die Kulissen der vordergründigen Idylle blicken: "Was findet man vor, was entschuldigt die Menschen, was entschuldigt sie nicht? Das ist bei unendlich Vielem so, man muss nur einen zweiten Blick riskieren", sagte Silberbauer.
Am deutlichsten lässt sich das anhand der Geschichte "Der Zorn" ausmachen. Ein Bürgermeister quält sich da von einer Weihnachtsfeier zur nächsten. Eigentlich ist er schwer depressiv; eigentlich möchte er sich am liebsten im Bett verkriechen. Aber das geht natürlich nicht. Ein Gemeindepolitiker muss immer fidel und lustig sein. Und muss mit Freuden all die angebotenen Stamperln und Kekse genießen. Silberbauers Bürgermeister spielt lange mit. Plötzlich aber geht es nicht mehr. Er bekommt einen Zornesanfall und wird politisch entsorgt. Der Sündenfall wirkt hier eher wie eine Katharsis; als notwendiger Schritt, sich von den falschen Vorstellungen zu befreien.
Chronist der Provinz
Weil er am Land lebe, kenne er natürlich die Bürgermeister, nenne sie zum Teil seine Freunde und wisse daher, sagte Silberbauer, dass das kein angenehmer Job sei: "Wenn man auf 50-60 Weihnachtsfeiern gehen muss, ständig fröhlich sein muss, ständig was trinken muss und Vanillekipferl essen muss, und ständig "Stille Nacht" singt - die logische Konsequenz wäre: durchdrehen. Das zeige ich in dieser Geschichte und meine Sympathie ist durchaus auf der Seite dieses Bürgermeisters, weil es wirklich ein undankbarer Job ist und es ist billig, immer nur hinzuhauen und zu sagen, 'die Politiker sind Trotteln'. Das ist zu einfach."
Norbert Silberbauers Geschichten sind in der österreichischen Provinz angesiedelt. Genauer gesagt in Niederösterreich. Das ist auch eine der Stärken dieses Buches. Denn da Silberbauer die Charaktere genau kennt, ist er vor einfachen Schwarz-Weiß Zeichnungen gefeit.
Letzte Auseinandersetzung mit dem Altern
Die Erzählbände haben stets ein durchgehendes Thema. Bei "Die elf Gebote" war es die Einsamkeit. In "Sieben Sündenfälle" kreisen alle Geschichten um das Älterwerden. Nobert Silbernauer im Interview: "Ich kann das Altern nicht locker nehmen. Es gibt manche, die behaupten, es wird schöner, man wird weiser - ich glaube das eher nicht. Ich finde es einen unschönen Prozess, der mit jedem Jahr noch unschöner wird. Ich habe sicher viel Ärger über das Altern von der Seele geschrieben mit diesem Buch."
Mehr zum Tod von Norbert Silberbauer in oe1.ORF.at
Hör-Tipp
Ex libris, jeden Sonntag, 18:15 Uhr
Buch-Tipp
Norbert Silberbauer, "Sieben Sündenfälle", Picus Verlag
Link
Picus Verlag - Sieben Sündenfälle