Die Tuberkulose kehrt zurück
Kein Ende der Weißen Pest
Millionen Menschen sterben jährlich an Tuberkulose, die meisten in Afrika und Südost-Asien. Auch im Osten der EU, speziell im Baltikum, nehmen die Erkrankungen zu. Besondere Gefahr droht weltweit durch die zunehmende Resistenz der Krankheitserreger.
8. April 2017, 21:58
9,2 Millionen neue Erkrankungen, etwa 1,7 Millionen Todesfälle weltweit im Jahr 2006: Die Tuberkulose (TB) als Krankheit der Armen, der Kriegsopfer und der Migranten ist weiterhin ein enormes Problem. Während in Österreich die Erkrankungszahlen seit vielen Jahren ständig im Sinken begriffen sind, schlägt die Weltgesundheitsorganisation WHO Alarm wegen der zunehmenden Verbreitung resistenter Mycobacterium tuberculosis-Erreger. Die Heilungschancen der Patienten verschlechtern sich damit in vielen Staaten dramatisch,
In Österreich ist die Situation rund um die TB stabil. "Wir haben sinkende Erkrankungszahlen in Österreich. Aber man muss wachsam bleiben. Wenn man hier nachlässig wird, erkauft man sich damit womöglich ein großes Problem, vor allem mit multiresistenter Tuberkulose", sagte Rudolf Rumetshofer, Leiter des Arbeitskreises Tuberkulose der Österreichischen Pneumologischen Gesellschaft (ÖPG), anlässlich des Welt-Tuberkulose-Tages im März dieses Jahres gegenüber der APA.
Die aktuellen Zahlen für Österreich
Laut den vorläufigen Daten wurde in Österreich vergangenes Jahr bei 837 Personen eine Tuberkulose diagnostiziert. 2006 lautete die endgültige Zahl 908, im Jahr 2005 waren es 1.009 Erkrankte. Der WHO-Report für 2008 zum Thema Tuberkulose spricht mit 9,2 Mio. Neuerkrankungen und 1,7 Mio. Todesfällen zwar von einem Anstieg der Zahlen. Doch das ist auf den weltweiten Bevölkerungszuwachs zurückzuführen.
"Positiv zu vermerken ist, das die Zahl der Neuerkrankungen im Verhältnis zur Bevölkerung seit 2003 zu fallen scheint", heißt es in dem Papier. Damit könnte das Ziel, die Tuberkulose zurückzudrängen, schon früher als wie geplant im Jahr 2015 zu schaffen sein. Weltweit werden im Jahr 2008 rund 2,12 Mrd. Euro für die Bekämpfung der TB verfügbar sein. Das ist mehr als dreimal so viel wie im Jahr 2002
In Österreich ist die Krankheit praktisch ausschließlich auf bestimmte Risikogruppen beschränkt. Der Lungenfacharzt: "Zunächst sind die Betroffenen oft Menschen mit einem Migrationshintergrund. Sie bringen die Tuberkulose mit. Sonst gibt es die TB noch in Randgruppen wie Obdachlose und Alkoholabhängige. Und schließlich gibt es auch noch die Alters-Tuberkulose. Hier bricht die Erkrankung infolge der altersbedingten Schwächung des Immunsystems nach Jahrzehnten wieder aus."
Resistenzen nehmen zu
Medizinisch macht die Tuberkulose in Österreich praktisch keine Probleme. International aber wird eine besorgniserregende Entwicklung beobachtet: Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat in einem erst Ende Februar publizierten Bericht geschätzt, dass derzeit pro Jahr rund 500.000 Menschen oder fünf Prozent der neuen Patienten an einer multiresistenten TB erkranken. In Aserbaidschan entfallen bereits 22,3 Prozent auf diese Erkrankungsform, in Moldawien 19,4 Prozent, im Donez-Becken in der Ukraine 15 Prozent und in manchen Regionen Russlands ebenfalls um die 15 Prozent.
Unter multiresistenter Tuberkulose versteht man, dass die Erreger auf die beiden Standardarzneimittel Isoniazid (INH) und Rifampicin nicht ansprechen. Dann muss auf teure und schwieriger zu verabreichende "Zweit-Linien-Medikamente" zurückgegriffen werden, die aber in vielen Entwicklungsländern kaum erhältlich sind. In Taschkent in Usbekistan sind beispielsweise rund 40 Prozent der TB-Erkrankungen gegen INH resistent.
Zwischen 2002 und 2006 wurde weltweit aber noch einer besorgniserregender Entwicklung registriert: Bisher wurde bei rund 90.000 TB-Patienten eine extrem resistente Erkrankungsform diagnostiziert. Die Erreger sind dabei zusätzlich auch noch gegen Fluorchinolone und/oder Substanzen wie Capreomycin, Kanamycin bzw. Amikacin unempfindlich sind. Zu den Resistenzen kommt es vor allem, wenn eine TB nicht ausreichend behandelt wird. Laut dem vor kurzem erschienenen WHO-Bericht entfallen in Österreich 2,1 Prozent der neuen TB-Fälle auf multiresistente Erreger.
Die Alpenrepublik liegt damit unter 32 europäischen Staaten bzw. Regionen an neunter Stelle mit einem Anteil von 20,4 Prozent in Estland an der Spitze und Island mit Null Prozent am Ende. In Deutschland sind es beispielsweise 2,7 Prozent, in Spanien und Portugal 1,8 Prozent, in der Schweiz 1,1 Prozent.
Hör-Tipp
Dimensionen, Montag, 23. Juni 2008, 19:05 Uhr
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