Zum 75. Geburtstag von Claudio Abbado

Unermüdlicher Impulsgeber

Seine vielen Wiener Jahre zählten für ihn zu den künstlerisch wichtigsten. Aber in jüngster Vergangenheit erlebte man ihn hier nur extrem rar, dann allerdings endlich einhellig bejubelt: Claudio Abbado feiert, sicherlich in der Stille, seinen 75. Geburtstag.

Claudio Abbado. Ein großer Schweiger. Nicht gerade das, was man in Wien sehr schätzt. Von Anbeginn ließ er lieber nur die Musik sprechen. Eigene Wünsche und Ideen verfolgt er als Dirigent und Anreger hartnäckig ohne Umschweife, ab liebsten ohne viele Worte. Das polarisiert die Meinungen. Eigentlich das Merkmal einer außergewöhnlichen Persönlichkeit.

Abbado, eng befreundet mit Luigi Nono bis zu dessen Tod, hat die Donaumetropole musikalisch reich beschenkt, ihren Ruf als Musikstadt gemehrt, weil er diesen vom Manko des puren Traditionalismus zu befreien half. Man sollte sich also einige Fakten vergegenwärtigen, seine Initiativen in Erinnerung behalten. Dirigieren hatte er in Wien bei Hans Swarowsky studiert. Danach erneuerte er in seiner Geburtsstadt Mailand als Konzertdirektor der "Scala" deren Programmstruktur. Anschließend war er Chefdirigent des London Symphony Orchestra. Sein erstes Konzert mit den Wiener Philharmonikern leitete er 1965. Ein Viertel Jahrhundert dauerte diese Allianz, Beweis künstlerischer Erfolge. Insgesamt 280 Konzerte, eine Rekordsumme, davon, außer zwei Neujahrskonzerten, 35 Mal die geheiligten Abonnementkonzerte, deren Programme er durch das Einbeziehen der Werke Schönbergs, Weberns, Bergs, Strawinskys, Bartóks u. a. entkrustete. Mit gleicher Intensität setzte er sich für Mozart, Beethoven, Schumann, Bruckner, vor allem Mahler ein, ebenso für Schubert, dessen heroisch-romantische Oper "Fierrabras" er 1987 im Theater an der Wien der Vergessenheit entriss.

Da war Abbado bereits ein Jahr Musikdirektor der Wiener Staatsoper, an der Seite von Direktor Claus Helmut Drese. Bis 1991 - ab nun Chefdirigent der Berliner Philharmoniker bis 2002 - dirigierte er im "Haus am Ring" 150 Vorstellungen, davon elf Premieren, darunter Kostbarkeiten wie Bergs "Wozzeck", Debussys "Pelléals et Mèlisande", Mussorgskis "Chowanschtschina", selbstverständlich Hauptwerke von Mozart, Wagner, Verdi, aber auch erheiternde Spektakel wie Rossinis "Il viaggio à Reims".

Eine der nachhaltigsten Initiativen Abbados war 1988 die Gründung von "Wien modern"“, ein Glücksfall für die Stadt (heuer ein Jubiläum: das 20. Bestandsjahr), der vollauf gelungener Vorstoß in die Musik der Gegenwart unter Einbeziehung von Literatur, Film, Malerei, Musiktheater. Eine seiner Lieblingsbeschäftigungen ist das Gründen von Ensembles und Orchestern. Zum Beispiel das Gustav-Mahler-Jugendorchester, während seiner Wiener Zeit ins Leben gerufen. Abbados aktuelle Elite-Formation: das Lucerne Festival Orchestra, zwischen 20. und 26. September als Gastspiel im Wiener Musikverein

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Hör-Tipp
Zeit-Ton, Mittwoch, 25. Juni 2008, 23:05 Uhr