Ein unbekannter Star der symphonischen Unterhaltungsmusik

Leroy Anderson

Weil er kein Aufsehen um seine Person machte, hat sich Leroy Andersons biographischer Bekanntheitsgrad umgekehrt proportional zu dem seiner Kompositionen entwickelt. Am 29. Juni jährte sich sein Geburtstag zum 100. Mal.

Die walzertanzende Katze, die in Synkopen tickende Uhr, das Schmirgelpapier-Ballett, die gemütliche, musikalische Schlittenfahrt, die sich sogar Kunstpfeiferin und UFA-Star Ilse Werner für ihr "pfiffiges" Repertoire der Nachkriegszeit anrangieren ließ, wurden schon den in den 1930er und 1940 Jahren in den USA populär, während Leroy Anderson, der Mann hinter der Musik, erst nach und nach, vor allem als Dirigent seiner Plattenaufnahmen ins Bewusstsein der Öffentlichkeit trat.

Audio-Gags für Hollywood
Dabei half dann auch die musikalische Beteiligung an Hollywood Filmproduktionen. So wurde zum Beispiel 1963 der Soundtrack eines Jerry Lewis-Streifens durch Leroy Andersons "Typewriter Rag" lautmalerisch bereichert. Ein Stück für Solo-Schreibmaschine und Orchester. In der amerikanischen Musikkritik hieß es damals: "Anderson schrieb infektiöse Melodien, populäre Tanzrhythmen und setzte ganz neuartige Effekte ein, die oft in den Titeln ihren Ausdruck finden."

Großer Unbekannter

Anderson sind Nummern von ungeheurer Popularität im amerikanischen Show Business gelungen, aber er selbst ist ein großer Unbekannter geblieben - sozusagen lange im Schatten der Erfolge. Im Laufe von mehreren Jahrzehnten - von den vierziger bis in die siebziger Jahre wurde Leroy Anderson letztlich zu einem Star der symphonischen Unterhaltungsmusik, der stets originelles Repertoire für Pops Orchestra lieferte.

Was das berühmteste dieser Unterhaltungsensembles, die sich meist aus den Mitgliedern der ortsansässigen Sinfonieorchester rekrutieren, das Boston Pops Orchestra, betrifft, so hat dessen legendärer Chefdirigent der Zwischenkriegszeit, Arthur Fiedler, die ersten Kompositionen von Leroy Anderson für sein Orchester angenommen.

Anderson war erst 28 Jahre alt und galt - nach einem abgeschlossenen Harvard Studium - damals dirigierte er die Harvard University Band - schon als versierter Arrangeur für Tanzorchester. "The Syncopated Clock", eine Parodie auf das unregelmäßige Ticken einer alterschwachen Uhr - war Andersons erstes Erfolgsstück - das bald auch als Kennmelodie einer "Late Night Show" des TV-Senders CBS Verwendung fand.

Nach dem Studium von Kontrapunkt und Komposition wurde er Musiklehrer an einem College. Er stammte von skandinavischen Eltern ab, hat skandinavische Sprachen und Deutsch studiert und hat dann während des Krieges als Übersetzer gearbeitet. Als Spezialist für raffinierte und außerordentlich wirksame Orchesterarrangement hatte er sich schon einen Namen gemacht, bevor seine Kompositionen beim breiten Publikum einschlugen.

Millionenseller
Mit der Aufnahme seines "Blue Tango" konnte Anderson erstmals die magische Grenze von einer Million verkauften Platten überschreiten. Aber auch mit "Jazz-Pizzicato", "Clarinet Candy", "Bell of the Ball", "Fiddle, faddle", und "Buglers Holyday" (kürzlich eine Wiener philharmonische Zugabe beim Schönbrunner open air Konzert) - glückten ihm extrem erfolgreiche Nummern mit eingängigen Melodik, und zündenden Rhythmen, in denen der klassische Orchesterklang durch unerwartete Instrumentationsideen und ironisch wirkende, außermusikalische Effekte ergänzt wurde. Einmal hat er - unter dem Titel "Sarabande" die höfisch-gezierte Atmosphäre eines historischen Tanzes vermittelt, ein andermal eine walzerselige Katze im Dreivierteltakt miauen lassen.

Instrumentationsideen
Oder - als besonders erfolgreiches Beispiel: das "Sandpaper Ballet" (Schmirgelpapier Ballett). Keine Ballettmusik in der Tradition Tschaikowskys, sondern eher ein gemächlicher Tanz in bequemen Schuhen (man denkt an Astaires "soft-shoe style") - der aber dennoch z.B. für das San Francisco Ballet choreographiert worden und ein Repertoirestück geworden ist. Als Zusatzinstrument - Leroy Anderson war in dieser Hinsicht sehr einfallsreich und - für Kollegen wie Spike Jones - auch anregend - empfiehlt der Komponist ein Holzstück, das man rhythmisch auf einer Fläche mit Sandpapier reibt.

Im Jahr 1991, als der Amerikaner Pinchas Steinberg Chefdirigent des ORF-Symphonieorchesters gewesen ist, hat er in einem Faschingskonzert im großen Konzerthaussaal mehr als die Hälfte des Programms mit Leroy Anderson Repertoire bestritten - sicherlich der größte Erfolg für das ungewöhnliche, manchmal etwas bizarre Werk des amerikanischen Komponisten in einem Wiener Konzertsaal, der glücklicherweise aufgezeichnet und auf einer CD ediert wurde: ORF-CD 19.

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Hör-Tipp
Musikgalerie, Montag, 30. Juni 2008, 10:05 Uhr