Kammermusik für Bläser und Streicher
Sextette im Vergleich
Die Sextett-Besetzung bietet Komponisten die Möglichkeit, einen relativ homogenen Klang, aber auch einen relativ differenzierten, heterogenen Klang zu erreichen. Aller guten Dinge sind sechs: Bläser- und Streichsextette im Vergleich.
8. April 2017, 21:58
Lickl und zwei Mal Brahms
Brav und frech - beides findet sich beim Genre der Sextette. Das ist deshalb eine sinnvolle Gegenüberstellung, weil die Formation des Sextetts vor allem bei den Bläsern sehr häufig den Charakter eines Divertimentos hat.
Es ist dies Unterhaltungsmusik aus der Tradition der Bläserdivertimenti (etwa Mozarts) oder auch der sogenannten "Harmoniemusiken"; Bläserformationen, die am Hofe (etwa an jenem von Joseph II.) oder auf der Straße beliebte Melodien (oftmals aus Opern) spielen, arrangieren, variieren. Die Bläsersextette dieser Zeit haben fast immer etwas von einer sympathisch-harmlosen Unterhaltungsmusik, etwa Johann Georg Lickls Sextett op. 11,1 für zwei Klarinetten, zwei Hörner und zwei Fagotte (hören Sie den ersten Teils unseres Audios).
Ein Schüler Haydns
Lickl, im niederösterreichischen Korneuburg bei Wien 1769 geboren, war als Organist, aber auch als Opern- und Singspielkomponist in Wien tätig. Er war Schüler Haydns und zur musikgeschichtlich vielleicht besten möglichen Zeit in Wien: von Haydn bis Schubert - Wiener Klassik bis Biedermeier - hat er alles miterlebt.
Klanglich könnte man das Sextett ganz allgemein vielleicht am besten so charakterisieren: Durch die meistens drei verschiedenen Instrumente, jeweils verdoppelt (zwei Violinen, zwei Bratschen, zwei Violoncelli - bei den Bläsern meist zwei Klarinetten, zwei Hörner, zwei Fagotte), entsteht die Möglichkeit, einen relativ homogenen Klang (wie bei einem Streichquartett), aber auch einen relativ differenzierten, heterogenen Klang zu erreichen - je nach dem wie man die sechs einsetzt.
Streichsextette von Brahms
Außerdem können die sechs alle zusammen schon relativ symphonisch-orchestral wirken, aber natürlich auch wie ein Trio ganz kammermusikalisch. Vielleicht einer der Reize für viele Komponisten vor allem im 19. Jahrhundert, Sextette für Streicher zu komponieren, die großteils gar nicht den leichten Divertimentocharakter der Bläsersextette hatten. Zum Beispiel die beiden Streichsextette von Johannes Brahms.
Wir springen zum zweiten Satz des zweiten Streichsextetts von Brahms. Mit "Scherzo" überschrieben und mit einem Mittelteil, der "giocoso" betitelt ist, und wie bei den Trios, den Mittelteilen der Menuette, wartet Brahms hier mit einem völlig gegensätzlichen Charakter auf: ein derber Ländler, ausgelassen, draufgängerisch - ehe dann wieder der erste Teil dieses Scherzos erklingt. Ungewöhnlich der Charakter dieses Scherzos, das gewöhnlich im 19. Jahrhundert etwas Bizarres, Überraschendes, Freches, vielleicht Exaltiertes vorstellt, hier aber in Brahms' zweitem Streichsextett seltsam wehmütig, melancholisch, manchmal unheimlich und fast ein bisschen ätherisch wie nicht von dieser Welt klingt.
Verträumt bis akzentuiert
Pizzikato im Bass, über dem die hohen Streicher kurze Melodiefloskeln spielen - so der Beginn, in unserer Aufnahme besonders niedlich, verträumt, in ziemlich langsamem Tempo (zweiter Teil des Audios). Es spielen Isabelle Faust, Christian Tetzlaff, Stefan Fehland, Hanna Weinmeister, Gustav Rivinius und Julian Steckel.
Völlig anders die Aufnahme im letzten Teil unseres Audios: das tempo deutlich schneller, viel akzentuierter die Spielweise - und es entsteht ein ganz anderer Charakter: heiterer und verspielter. Es spielt das Ensemble L'Archibudelli.
Hör-Tipp
Ausgewählt, Mittwoch, 2. Juli 2008, 10:05 Uhr
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