Arabella in Dresden
Naziterror in der Oper
"Arabella" von Richard Strauss wurde vor 75 Jahren uraufgeführt. Vor 70 Jahren wagte man sich in München an den "Friedenstag" heran, obwohl sich zu dieser Zeit die Friedensglocken von Europa bereits weit entfernt hatten. Oper im Schatten der Politik.
8. April 2017, 21:58
"Als Hitler im Januar 1933 an die Macht kam, war die Arbeitslosenquote auf über 30 Prozent gestiegen. Unter den Musikern betrug sie fast 60 Prozent." Soweit die nüchterne Erkenntnis, zu der der Strauss-Biograf Matthew Boyden (1999) am Beginn seiner Ausführungen über die besonderen Umstände der "Arabella"-Premiere im Juli 1933 kommt.
Richard Strauss hatte diese letzte gemeinsame Arbeit mit seinem 1929 auf tragische Weise verstorbenen Librettisten Hugo von Hofmannsthal (er starb mit nur 55 Jahren aus Gram über den Selbstmord seines Sohnes, gerade als er zu dessen Begräbnis aufbrechen wollte) ausdrücklich seinen Freunden Alfred Reucker und Fritz Busch gewidmet - zu dieser Zeit Intendant und Generalmusikdirektor in Dresden - doch plötzlich fielen die beiden bei den neuen Machthabern in Ungnade.
Politischer Druck
Zunächst forderte man Busch auf, seine allzu deutlich geäußerte Kritik durch einen sofortigen Parteieintritt gutzumachen. Das lehnte Busch kategorisch ab, also versuchte man das Jahresbudget der Dresdner Oper gleich um ein Drittel zu kürzen.
Schließlich wurde der damalige sächsische Regierungschef deutlich: "Ich fürchte, dass Sie, lieber Herr Generalmusikdirektor, in einen Sack genäht die Elbe herunterschwimmen werden, wenn Sie sich nicht in letzter Stunde entschließen sollten, Ihr Benehmen vollkommen zu ändern und Konzessionen zu machen."
Hausverbot
Was nun geschah ist Geschichte: Am 7. März 1933, vor Beginn einer Rigoletto-Vorstellung, wurde Busch gnadenlos aus dem Haus gepfiffen und am nächsten Tag war Intendant Reucker plötzlich mit Hausverbot belegt. Auch die Mehrzahl des Ensembles wurde genötigt, eine Petition gegen Busch zu unterschreiben, wobei lediglich sieben von rund 40 Sängerinnen und Sängern ihre Unterschrift verweigerten - übrigens ohne große Konsequenzen.
Schließlich hat sogar Hitler selbst die Wiedereinsetzung von Busch angeordnet, doch da war die Sache längst in eine nicht mehr zu bremsende Eigendynamik geraten, und Busch kehrte Nazi-Deutschland endgültig den Rücken.
Ersatz aus Wien
Das war die Ausgangslage knapp vor der geplanten Premiere von "Arabella". Zunächst verhielt sich Strauss völlig loyal zu seinen Freunden Reucker und Busch, was Busch in seinen Erinnerungen auch bestätigt, aber dann stand seiner Entschlossenheit, auf die beiden nicht zu verzichten, doch der bereits unterschriebene Vertrag entgegen.
Also bat Strauss wenige Tage später Clemens Krauss die bevorstehende Uraufführung zu übernehmen, mit ihm kam natürlich seine Frau Viorica Ursuleac zum Zug, während für die Regie Josef Gielen verpflichtet wurde. Am 1. Juli 1933 ging die "Arabella"-Premiere über die Bühne des Dresdener Opernhauses; der Erfolg war groß und auch nachhaltig, die ursprüngliche Absicht von Strauss und Hofmannsthal, einen neuen "Rosenkavalier" zu schaffen, ist jedoch nicht aufgegangen.
Kriegsoper mit Friedensappell
Waren die politischen Verhältnisse zum Zeitpunkt der "Arabella"-Uraufführung bereits besorgniserregend, so schien die Weltlage noch weit düsterer und bedrohlicher fünf Jahre später, als in München die 12. Oper von Richard Strauss Premiere hatte: "Friedenstag" - ein Werk, das den 30jährigen Krieg zum Thema hat, ursprünglich noch von Stefan Zweig konzipiert, der als Jude jedoch bald nicht mehr tragbar war und schließlich von Joseph Gregor ersetzt wurde.
Als der "Friedenstag" am 24. Juli 1938 im Münchner Nationaltheater unter Clemens Krauss erstmals über die Bühne gegangen ist, haben die damaligen Machthaber das Werk mit seinem Pseudo-Heroismus zunächst sofort für sich und ihre eigene Gesinnung instrumentalisiert.
Pragmatiker Richard Strauss
Allerdings kann man die Sache bei genauerer Betrachtung auch umgekehrt sehen, also als versteckten Widerstand gegen das Naziregime, schließlich enthält die Schlussapotheose des Werkes einen utopischen Traum von Frieden und Versöhnung.
Dennoch scheint diese These beim bekannten Pragmatismus von Richard Strauss etwas weit hergeholt zu sein, selbst wenn man die Tatsache bedenkt, dass der "Friedenstag" nach der Wiener Erstaufführung knapp ein Jahr später - am 10. Juni 1939 - nach dieser einen Aufführung sofort auf oberste Weisung abgesetzt wurde. Pazifistische Themen auf der Opernbühne, wenige Monate vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, das schien den Nazis offenbar doch nicht ganz geheuer.
Hör-Tipp
Apropos Oper, Dienstag, 8. Juli 2008, 15:06 Uhr