Genese einer Form

Die Entwicklung der Passacaglia

Gehen, schreiten, tanzen mit einer speziellen Variationsform: der Passacaglia. Sie stammt aus Spanien, wie der Name verrät. Aus dem spanischen Gassenhauer wurde im Laufe der Zeit eine strenge Variationsform, genutzt von Bach, Brahms und Britten.

Charpentier, Buxtehude, Bach

Die Passacaglia ist eine ganz spezielle Variationsform. Aus Spanien ist sie gebürtig, da hieß sie Passacalle, und der Name verrät uns ihren Ursprung. Pasar una calle bedeutet "eine Strasse entlang gehen", ein Liedchen trällernd und Gitarre spielend.

Passacaglia war eine Spielart im Spanien des 17. Jahrhunderts, sich in Tonart und Melodik des kommenden Liedes einzuspielen, die passacalles fungierten auch als improvisierte Zwischenspiele, Ritornelli zwischen den Strophen.

Drehender Tanz

Von Spanien aus kam die Passacalle nach Frankreich und nach Italien und hielt dort im 17. Jahrhundert Einzug auf die Bühne, als instrumentale Theatereinlage, bekam eine mehr und mehr höfische Aura und wurde gerne auch als ein drehender Tanz von der Aristokratie ausgeführt. Hören Sie im ersten Teil unseres Audios Marc-Antoine Charpentiers "Passecaille", ausgeführt von Les Arts Florissants.

Aus einem spanischen Gassenhauer wurde im Laufe der Musikgeschichte eine strenge Variationsform, der wir im 19. Jahrhundert zum Beispiel in der vierten Brahms begegnen oder im Requiem, in den "Sea Interludes" von Benjamin Britten, in kontrapunktischen Orgelwerken von Bach bis Max Reger, Trauermusiken von Paul Hindemith bis Johann Nepomuk David.

Kontrapunktische Variation

Für die Zeit der Passacaglia als kontrapunktische Variation steht eine Passacaglia von Dietrich Buxtehude im zweiten Teil unseres Audios. Die Variationen entwickeln sich bei der Passacaglia meistens über einer vier- oder achttaktigen, stets wiederkehrenden, also ostinaten Basslinie.

Im Gegensatz zur verwandten Chaconne steht die Passacaglia meist in einer Molltonart, bei Buxtehude ist es d-Moll - also im Bass tranceartig das basso ostinato, darüber entspinnt sich ein immer dichter werdendes Flechtwerk an kontrapunktisch verwobenem Linien.

Die berühmteste Passacaglia

Das Bassostinato im letzten Teil unseres Audios wird ihnen sehr vertraut vorkommen. Es ist dies der Beginn der wohl berühmtesten Passacaglia, der in c-Moll von Johann Sebastian Bach. Andere Komponisten nachahmen, aus vorhandenem thematischen Material nicht enden wollende neue Möglichkeiten der Kontrapunktik zu entwickeln, das hat Komponisten wie Bach unglaublich gereizt. Nicht die inventio zählte, der musikalische Einfall, sondern die elaboratio, das Wie der Ausarbeitung. Das Experimentieren mit den vielfältigen vertikalen und horizontalen Verknüpfungen.

Die Transkription der Orgel-Passacaglia durch das Gamben-Ensemble Fretwork vermittelt sehr gut die tänzerische Herkunft der Passacaglia, wir spüren die rhythmische Dynamik, die das Stück dieser bewegten Herkunft verdankt.

Hör-Tipp
Ausgewählt, Mittwoch, 26. November 2008, 10:05 Uhr

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