Die Suche nach Vermissten in Bosnien-Herzegowina

Juli in Srebrenica

Im Juli jährt sich das Massaker von Srebrenica zum 13. Mal. An den Jahrestagen finden sich Angehörige der Opfer in Srebrenica ein, um die Verurteilung der Schuldigen zu fordern. Neuerdings haufen sich Fälle von Geschäftemacherei mit den Hinterbliebenen.

Mitte Juli 1995, genau zwischen dem 11. und 18. des Monats, jährt sich das Massaker von Srebrenica in Bosnien Herzegowina. Es war dies das schwerste Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg. Einheiten der bosnischen Serben unter der Führung von General Ratko Mladic massakrierten in ein paar Tagen mehr als 6.000 ihrer ehemaligen bosnisch-muslimischen Mitbürger - nach einigen Angaben fast 8.000.

Die Täter

Gegen General Mladic und seinen politischen Vorgesetzten, Radovan Karadzic, ist 1995 vom UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag Anklage wegen Kriegsverbrechen erhoben worden und seitdem sind die beiden erfolgreich auf der "Flucht". Die Chancen, dass sie gefasst werden, sind aus unterschiedlichen Gründen sehr gering.

Man kann dieses Scheitern nicht nur den fragwürdigen Verhältnisse anlasten, die die jeweiligen Volksgruppen gegenüber diesen Angeklagten haben, die sehr oft in ihren Ländern als Helden gefeiert werden. Eine große Verantwortung liegt bei der internationalen Gemeinschaft, die nicht genug Kraft hatte, Einfluss auf die Regierungen auszuüben, die Verdächtigten dem Tribunal auszuliefern. Selbst Hollywood ("Hunting Party", ein Film aus dem Jahr 2007 mit Richard Gere in der Hauptrolle - nicht in der Rolle des Karadzic!) hat sich des Themas angenommen.

Die Opfer

Und in allen diesen Jahren seit dem Massaker wiederholt sich in Srebrenica im Juli die gleiche Geschichte, wie nach einem schlechten Drehbuch. Die Familien sowohl der begrabenen als auch der, noch immer nicht identifizierten, in Massengräbern verscharrten Opfer versammeln sich in Srebrenica, um sich selbst und der Welt ihre Verluste in Erinnerung zu bringen.

Diese Menschen verstehen nicht, warum die Täter noch immer auf freiem Fuß sind und warum sie ihre Familienmitglieder noch immer nicht begraben sind, sodass sie damit ihre Trauerarbeit abschließen könnten. Es stellt sich damit aber nicht nur die Frage nach Vermissten in Srebrenica, sondern überall in Bosnien Herzegowina wo solche Verbrechen verübt worden sind - und diese gab es in hoher Zahl.

Die Geschäfte

Seit heuer hört man immer öfter, dass Menschen, die angeblich Informationen über die Lage solcher Massengräber haben, von den Hinterbliebenen Geld für diesbezügliche Hinweise verlangen würden. Zuletzt hat die Tageszeitung "Dnevni avaz" ("Tägliche Stimme") aus Sarajevo solch einen Bericht veröffentlicht. Ihm zufolge haben 34 Familien von Vermissten neben der Stadt Nevesinje in Südherzegowina den ehemaligen Ermittlern der bosnischen Föderalen Kommission, zuständig für die Suche der Vermissten, verklagt, weil er von ihnen etwa 75.000 Euro für die Informationen über die Massengräber verlangt haben soll.

Der Mann, so schreibt die Zeitung weiter, hat diese Anschuldigungen nicht dementiert. Er sagte lediglich, dass er diese Menschen, die ihn angeklagt hatten, nie gesehen habe. Und sollte er doch Geld bekommen, würde er es für "humanitäre Zwecke" verwenden.

Im Interesse der Opfer, beziehungsweise ihrer Hinterbliebenen, wurde in Bosnien Herzegowina eine Organisation die über die Grenzen der Volkszugehörigkeit hinweg aktiv ist. Ihr zufolge sind in Bosnien-Herzegowina immer noch 13.000 Menschen vermisst. Diese Haltung ist vielen ein Dorn im Auge, etwa wenn in der Republika Srpska ein "operatives Team für die Suche der Vermissten serbischer Nationalität" gegründet wird.

Wie in einem Geisterspiel

Diese Beispiele zeigen, wie sich verschiedenste Interessen vermengen. Man verdient Geld, gründet Institute, Teams und führt unzählige Konferenzen, nur, wie in einem Spiel der Geister, kann man die Täter und ihre Opfer nicht finden. Man hört von Zeit zu Zeit, dass die Täter irgendwo gesehen wurden, man hört, dass jemand weiß, wo Opfer verschütten liegen und man erfährt auch wie viel die Information darüber kostet. Die Familien der Opfer haben davon nichts. Sie haben nur den Zorn, den sie immer wieder im Juli zeigen können.

"Es ist wichtig, diese unvorstellbaren Geschehnisse auf dem Grund von klaren und öffentlichen Beweisen festzustellen, um so zu verhindern, dass niemand diese Untaten anzweifelt und sie als Erfindungen und nicht als Fakten gesehen werden", schrieb vor einem halben Jahrhundert Telford Taylor, der Ankläger beim Nürnberger Prozesse. Nach all diesen Jahren und Erfahrungen in Bosnien-Herzegowina sieht man, dass Taylors Worte noch immer aktuell sind.

Links
genocide.org
Dnevni avaz
IMDb - The Hunting Party