Wie starb Tycho Brahe?

Nur die Sterne waren Zeugen

1601 stirbt der prominente Astronom Tycho Brahe. 400 Jahre lang gelten ein Blasenriss oder eine Harnvergiftung als mögliche Todesursachen. Dann stellt ein toxikologisches Gutachten eine Quecksilbervergiftung fest. Unter Mordverdacht: Johannes Kepler.

Am 13. Oktober 1601 nimmt Tycho Brahe, kaiserlicher Mathematikus am Hof des römisch-deutschen Kaisers Rudolf II., in Prag an einem Festbankett teil. Kaum zuhause angekommen, überfallen den dänischen Sternenbeobachter rasende Schmerzen, tagelang windet er sich unter Höllenqualen in seinem Bett, schließlich hat das Martyrium ein Ende. Am 24. Oktober wird der berühmteste Astronom seiner Zeit tot in seinem Bett gefunden.

Unmittelbar nach seinem Tod breitet sich in ganz Europa das Gerücht aus, Tycho Brahe sei vergiftet worden. Von einem Tatverdächtigen fehlt allerdings jede Spur, und so wird die Mordtheorie auf Eis gelegt. Tycho Brahe sei entweder an einem Blasenriss infolge zu langer Harnverhaltung oder an einer akuten Harnvergiftung gestorben. So lauten die Erklärungen der Mediziner und Historiker - fast 400 Jahre lang.

Brahe doch vergiftet?

1991 werden die sterblichen Überreste des dänischen Astronomen exhumiert und die Toxikologen machen dabei eine überraschende Entdeckung. In Brahes Schnurrbarthaar findet sich eine tödliche Dosis Quecksilber, die mit Sicherheit nicht auf dem Speiseplan des Festbanketts gestanden ist. Eine zweite forensische Untersuchung kommt fünf Jahre später zu einem ähnlichen Ergebnis: Brahe ist also doch vergiftet worden? Von wem?

Johannes Kepler unter Mordverdacht

"Der Fall Kepler. Mord im Namen der Wissenschaft", unter diesem reißerischen Titel veröffentlicht das amerikanisch-deutsche Autorenpaar Joshua und Anne-Lee Gilder 2004 das Resultat seiner Recherchen über den gewaltsamen Tod Tycho Brahes.

Danach soll die moderne Naturwissenschaft also mit einem heimtückischen Mord begonnen haben, ausgeführt von jenem Mann, der 1601 Mitarbeiter Brahes in Prag gewesen und später zu Weltruhm gelangt ist: Johannes Kepler.

Um in den Besitz von Brahes über 40 Jahre lang minuziös aufgezeichneten Messdaten zu gelangen, habe Kepler zum Gift gegriffen. Erst dadurch kann er seine berühmten drei Gesetze über die Planetenbewegung empirisch untermauern.

Erstens: Die Planeten bewegen sich in Ellipsenbahnen um die Sonne, wobei die Sonne in einem der beiden Brennpunkte der Ellipse steht. Zweitens: Zieht man eine gerade Linie von einem Planeten zu seinem Zentralgestirn, so überstreicht diese Linie in gleichen Zeiten gleiche Flächen, und drittens verhalten sich die Quadrate der Umlaufzeiten zweier Planeten wie die Kuben der großen Halbachsen ihrer Ellipsenbahnen.

Vor allem dieses letzte Kepler’sche Gesetz führt später über Descartes und Newton zur Entwicklung der modernen Mechanik und zur mathematischen Beschreibung der Schwerkraft.

Der Meisterdenker Kepler ein Meuchelmörder?

Die oberösterreichische Kepler-Gesellschaft weist die These des Autorenpaars Gilder energisch als "absurde und abstruse Giftmordstory" zurück und spricht von einer "systematischen Herabwürdigung und Verunglimpfung" Keplers.

Ob Brahe tatsächlich an einer Quecksilbervergiftung gestorben ist, sei bis heute wissenschaftlich umstritten. Außerdem habe der dänische Astronom zeitlebens alchemistische Experimente durchgeführt, wozu auch die Selbsttherapie seines Blasenleidens mit geringen Quecksilbermengen gehörte. Darüber hinaus habe Kepler die wichtigsten Messdaten, nämlich jene über die exzentrische Marsbahn, sehr wohl von Brahe erhalten. Und noch auf dem Totenbett habe Brahe festgelegt, dass Kepler alle wissenschaftlichen Unterlagen durchsehen und zudem sein Nachfolger als kaiserlicher Hofmathematiker in Prag werden soll.

Von solchen Gegenargumenten zeigt sich das Autorenduo Gilder nahezu unbeeindruckt: "Natürlich ist es unmöglich, vierhundert Jahre nach der Tat absolute Gewissheit hinsichtlich der Identität von Brahes Mörder zu erlangen. Wenn man aber alle Hypothesen eingehend prüft und den Kreis der Verdächtigen anhand der drei altbewährten kriminalistischen Kriterien Gelegenheit, Tatwerkzeug und Motiv sukzessive einschränkt, dann bleibt schließlich nur eine Person übrig, auf die alle Indizien weisen." Und diese Person soll Johannes Kepler sein.

Hör-Tipp
Dimensionen, Montag, 22. Februar 2010, 19:06 Uhr

Link
Tycho Brahe Museum