Ist da jemand?

Die Außerirdischen

Die Frage, ob wir allein im Universum sind oder ob es vielleicht doch andere Wesen im All gibt, beschäftigt die Menschheit seit jeher. Mit "Die Außerirdischen" hat Tommaso Pincio eine humorvollen Kulturgeschichte des Pop-Mythos' Aliens verfasst.

Können wir derart anmaßend sein zu meinen, wir und unser Planet stellten die leuchtende Ausnahme in der unendlichen Vielfalt des Universums dar? Und was soll man vom Schöpfer all dieser sichtbaren und unsichtbaren Dinge halten? Wer auch immer er ist - er hätte nicht gerade viel Sinn für das Pragmatische bewiesen, wären wir tatsächlich mutterseelenallein im Weltall. Zumindest hätte er nicht diese Unmenge an Raum verschleudern müssen, nur um darin Milliarden glühender Sterne als reinen Zierrat unterzubringen.

Auch wenn man von keinem, - eventuell weißbärtigen - Schöpfer ausgeht, sondern streng wissenschaftlich vom so genannten "Big Bang", wäre es doch höchst unverständlich, wenn dieses zufällige Nebenprodukt Leben nur ein einziges Mal aufgetreten sein soll. Egal aus welcher Perspektive man das Problem betrachtet, rein statistisch gesehen ist es tatsächlich schwer zu glauben, allein im Universum zu sein.

Andererseits, was wäre schwerer zu ertragen: der unumstößliche Beweis, dass wir wirklich eine Ausnahme sind oder die möglicherweise furchteinflößende Tatsache, dass wir es nicht sind? Fermis Paradoxon besagt, dass alles dafür spricht, dass es im Kosmos nur so wimmelt von außerirdischen Lebewesen, jedoch niemand die Frage beantworten kann, warum kein einziges davon bisher bei uns vorstellig wurde. Unser eigentliches Problem mit der Unmöglichkeit der Beantwortung der Frage: "Ist da jemand?" besteht für Tommaso Pincio folglich darin, dass wir Menschen einfach nicht wichtig genug sind.

Das mag uns missfallen, aber wahr ist, dass wir alles andere sind als jene auserwählten Söhne und Töchter der Schöpfung, die wir so gerne wären. In den Augen des Universums ist unser Dasein genauso viel wert wie ein x-beliebiger Asteroid. Vielleicht sogar weniger, denn im Allgemeinen sind die Asteroiden größer als wir.

Erste Sichtungen merkwürdiger Objekte

Gerade weil wir annehmen, derart unbedeutend und zufällig zu sein, wird es uns doch wohl gestattet sein, zu spekulieren, dieses Nichts mit ein paar Pechvögeln von Aliens zu teilen. Der Glaube versetzt ja bekanntlich Berge und macht so den Blick auf den Himmel frei, wo dann fantasiebegabte Erdlinge Dinge sehen, die einfach nicht von dieser Welt sein können.

Obwohl man auch etwa auf prähistorischen Höhlenmalereien in Frankreich und auf italienischen Renaissance-Gemälden kreisrunde Flugobjekte ausfindig gemacht hat, wird der Ursprung für die moderne Geschichte der Außerirdischen mit 1947 allgemein anerkannt. Während davor nämlich ungewöhnliche Himmelsphänomene als göttliche Zeichen gedeutet wurden, hatte man für die Sichtung merkwürdiger Objekte in der Nähe des Mount Rainier im Staate Washington erstmals einen klangvollen Namen parat, der sich schnell einprägte: "fliegende Untertassen". Innerhalb weniger Monate hatten neun von zehn Amerikanern von "flying saucers" zumindest schon einmal gehört. Allein 1947 wurden über 800 Sichtungen gezählt.

Die meisten Leute glaubten an optische Täuschungen, geheime Waffen oder Fluggeräte. Dank einer intensiven Medienkampagne wurde ihnen die Theorie der Außerirdischen geradezu eingebläut, die es in kürzester Zeit zu enormer Popularität brachte.

Science-Fiction–Storys und -Filme

Bis Mitte der 1970er Jahre blieb die Diskussion um UFO-Sichtungen weitgehend ein Medien- und damit Massenphänomen. Die Ufologie und die krudesten Theorien entstanden. H. G. Wells' "Krieg der Welten", freilich schon 1898 als Roman erschienen, wurde Vorbild für zahlreiche Science-Fiction–Storys und -Filme.

Der Mars stellte Jahrzehnte lang das beliebteste Szenario für den Ausgangspunkt bedrohlicher Invasionen dar. Die Fortschritte der Wissenschaft waren sicher eine Grundbedingung für die plötzliche Popularität der Aliens, die allgemeine Angst genährt durch Bilder von Hiroshima und Nagasaki, sowie die neuen Mittel zur Massenkommunikation beschleunigten allerdings den Boom entscheidend.

Aliens mit männlichem Blick

Auf Pincios Zeitreise in die kollektiven Albträume der Nachkriegszeit trifft man viele Bekannte, die dazugehörigen Fakten lassen diese aber zum Teil in neuem Licht erscheinen. Die Frisbee-Scheibe erinnert nicht zufällig an eine fliegende Untertasse. Studenten haben sie aus kreisrunden Keksdosen-Deckeln der Firma Frisbee entwickelt. Die V7, Hitlers legendärer unbemannter Flugkörper, dessen Pläne er von Außerirdischen des Aldebaran-Systems übermittelt bekommen haben soll, kommt ebenso zu Ehren wie die wohl berühmteste UFO-Landung in Roswell. Der Ursprung der "Men in Black" wird ebenso erklärt wie die gängigsten Verschwörungstheorien über Außerirdische.

Das Highlight des Buches ist sicherlich das Kapitel "Blondinen bevorzugt", in dem Pincio der Frage nachgeht, warum Aliens offenbar über erstaunliche geschmackliche Parallelen mit einem Großteil der männlichen Erdbevölkerung verfügen. Zuverlässigen Gerüchten zufolge mussten Marilyn Monroe und John F. Kennedy sterben, weil sie Kontakt zu Außerirdischen hatten und diese publik machen wollten.

Was dem Autor besonders gut gelingt, ist die lockere Verknüpfung von persönlicher Faszination und ironischer Betrachtung. "Die Außerirdischen" präsentiert sich so nicht als euphorische Fanbibel, sondern als humorvolle Kulturgeschichte eines Mythos, der das 20. Jahrhundert stark beeinflusst hat.

Beim derzeitigen Stand der Dinge könnte einem keine sinnlosere Frage einfallen als die, ob die Außerirdischen wirklich existieren. Sinnlos ist sie deshalb, weil die Außerirdischen gerade durch die Art, mit der sie sich tieferen und ungelösten Fragestellungen wie "Sind wir allein im Universum?" entziehen, letztlich schon unter uns sind.

Hör-Tipp
Kontext, jeden Freitag, 9:05 Uhr

Buch-Tipp
Tommaso Pincio, "Die Außerirdischen. Der größte Mythos des 20. Jahrhunderts", aus dem Italienischen übersetzt von Christian Försch, Verlag Rogner & Bernhard

Links
Tommaso Pincio
Rogner & Bernhard - Die Außerirdischen