Konkurrenzsituation brachte Verletzungen
Hermann Prey
Der Sänger Hermann Prey war zu seiner Zeit der Inbegriff des deutschen Baritons auch für die Nicht-Operngeher, so wie Fritz Wunderlich der Inbegriff des deutschen Tenors war: "Fülle des Wohllauts" - mit Träne in der Stimme.
8. April 2017, 21:58
Korngolds "Lied des Pierrot" aus "Die tote Stadt"
Das Bild zählt zu den kollektiven Fernseh-Erinnerungen aus den 1970er Jahren: Wie Hermann Prey aus der Kulisse springt, den allgegenwärtigen "sunnyboy" mimt, in Rossinis "Barbier von Sevilla". Ein deutscher Sänger, weltweit bejubelt in der erz-italienischen Rolle des Figaro, von Claudio Abbado an der Mailänder Scala italienischen Fachkollegen vorgezogen.
An internationaler Ausstrahlung ist Hermann Prey weit über seine Sänger-Vorbilder Gerhard Hüsch und Heinrich Schlusnus hinausgewachsen. Über 40 Jahre sollte die Karriere andauern, mit vielen Mozart-Partien - darunter wieder Figaro, Guglielmo, Papageno -, mit Volksliedern, Schlagern, Musicals, TV-Shows. Und Liedern: Im Liedgesang fällt dem intuitiveren, auf den sinnlichen Stimmklang setzenden Prey bis heute die Rolle des Antipoden zum fast gleich alten Dietrich Fischer-Dieskau zu.
Ausflüge zur "leichten Muse"
Während aber die Huldigungen für "Fi-Di" nicht abreißen, wird Prey, der "Naturbursche", der "Schwiegersohn der Nation", für seine Ausflüge zur "leichten Muse" im Nachhinein scheel angesehen.
Kehrt es sich gegen ihn, dass er eine auf den ersten Ton erkennbare Stimme besessen hat und immer Hermann Prey geblieben ist, mit dem gewissen warmen, körperhaften, einschmeichelnden, aber auch "verschnupften" Klang, egal in welcher Opernpartie, in welchem Liederzyklus?
Beckmesser-Triumph in Bayreuth
Die Konkurrenzsituation brachte Verletzungen: Wieso wurde Dietrich Fischer-Dieskau zum Beispiel als Don Giovanni akzeptiert und Hermann Prey nicht? Wie gern hätte Prey den "Kavaliersbariton" hinter sich gelassen und auch Marquis Posa gesungen, den schwereren Verdi, Mandryka in "Arabella" - oder Hans Sachs in Wagners "Meistersingern von Nürnberg", der ihm charakterlich so entgegengekommen wäre.
Dass Wolfgang Wagner ihn Jahre nach dem Bayreuth-Debüt als "Tannhäuser"-Wolfram 1981 just für den Beckmesser in den "Meistersingern" noch einmal auf den "Grünen Hügel" holte, den er, der "Belcanto-Sänger", ursprünglich überhaupt nicht singen wollte, und daraus einer der größten Triumphe in Preys Karriere wurde, eine Neudeutung der Figur mit den Mitteln eines der Meistersänger des 20. Jahrhunderts - wenn das nicht "Ironie des Schicksals" war?
Prey, der Schallplattensänger
Zehn Jahre nach seinem Tod ist es recht still geworden um Hermann Prey. Wo bleiben die CD-Editionen mit zumindest einem Teil aus seinen vielen hunderten Aufnahmen? Wer in den späteren 1950er, frühen 1960er Jahren Opern-Schallplatten gesammelt hat, hatte bereits "seinen" Prey daheim im Plattenschrank, auf den vielen zeittypischen Opern-Querschnitten, von "Bajazzo" bis "Carmen".
Bald gehörte der 1929 Geborene fix zum Sängerstamm, aus dem die "Columbia" ihre Gesamtaufnahmen deutscher Opern bestritt: Anneliese Rothenberger, Nicolai Gedda, Fritz Wunderlich, Gottlob Frick. Wunderlich und Prey, das bedeutete: Freundschaft und ideale Stimm-Ergänzung, im "Barbier", in der "Schweigsamen Frau" von Strauss, unter Karl Böhm in Salzburg, bei der betont jung besetzten Münchner "Traviata" von 1965 mit Teresa Stratas, in Glucks "Iphigenie auf Tauris" vor Rundfunkmikrophonen.
Festivalgründer in Hohenems und Bad Urach
Singen allein genügte Hermann Prey nicht. Die Vorarlberger Schubertiade, von ihm zuerst in Hohenems ins Leben gerufen, existiert bis heute, wenngleich ohne Preys Konzept, einer enzyklopädischen Darstellung von Franz Schuberts Gesamtwerk, zu folgen. Oft verkrachte er sich mit seinen Weggefährten, zog weiter. Etwa nach Bad Urach in den Schwarzwald, wo er bei den "Herbstlichen Musiktagen", seiner letzten Festival-Neugründung, eine Lanze für die als altbacken verschriene Spieloper brach, für Kreutzers "Nachtlager in Granada" oder Nesslers "Trompeter von Säckingen".
Manchmal schaffte Prey neben alldem, neben Film- und Plattenaufnahmen, noch 80 Bühnenauftritte im Jahr, teils auf Übersee-Tourneen. Ein Getriebener? Noch in der Zeit, als es schon Orden zu regnen beginnt, hält Hermann Prey sein Pensum durch, bis 1997 der erste große Zusammenbruch kommt. Am 22.Juli 1998 versagt das Herz - plötzlich, ein langsames Abschiednehmen ist Prey erspart geblieben.
Hör-Tipp
Apropos Oper, Donnerstag, 17. Juli 2008, 15:06 Uhr