Kein dummer August

Pavel Kohout ist 80

Vor öffentlichen Konflikten hat der große tschechische Dramatiker Pavel Kohout nie zurückgeschreckt. Am 20. Juli 2008 Ist Kohout 80 Jahre alt. Die Strukturen der Macht und ihr Einfluss auf den Einzelnen ziehen sich durch sein literarisches Werk.

"Es war sehr schön, ich habe es genossen." Mit diesen Worten verabschiedete sich Pavel Kohout im Vorjahr aus der Leitung des von ihm 1996 gegründeten Theaterfestivals deutscher Sprache in Prag. Es sei an der Zeit, Jüngeren Platz zu machen, die die Dinge besser regeln würden. Es war ein wenig Bitterkeit in dem Abschied, nachdem zuvor auch die Uraufführung seines letzten Stücks, "Eine kleine Machtmusik", nur auf verhaltenen Beifall gestoßen war.

Literarische Anfänge

Als Pavel Kohout selbst ein junger Mann war, Ende des Zweiten Weltkriegs, begann er in Prag Philosophie und Literatur zu studieren. Der 1928 in Prag Geborene engagiert sich in der Kommunistischen Partei (KP) und dichtet im Arbeiter- und-Bauern-Stil, etwa ein Loblied auf Traktoren. Politisch zuverlässig, darf er als tschechoslowakischer Kulturdiplomat in die Botschaft nach Moskau. Zurückgekehrt wird Kohout in Prag bekannt als Chefredakteur des Satireblatts "Dikobraz" (Stachelschwein). Mit dem Soldatendrama "Septembernächte (1955) und dem raffiniert konstruierten Werk "So eine Liebe" (1958) stellen sich die ersten Bühnenerfolge ein.

Allegorie des eigenen Lebens

Sein wohl berühmtestes Stück "August, August, August", eine im Zirkus angesiedelte Parabel, veröffentlicht Kohout 1967 und nimmt darin die Ereignisse des Prager Frühlings voraus. Der Clown August will unbedingt die weißen Lipizzaner dressieren. Der Zirkusdirektor verspricht ihm dies unter Bedingungen. Clown August gelingt es mit Witz und Fantasie, alle Forderungen zu erfüllen - doch als er in der Manege auf die Pferde wartet, schickt der Direktor hungrige Tiger.

Ganz ähnlich erging es dem Teilzeit-Funktionär Kohout, der die Reformbewegung von Alexander Dubcek unterstützte. Der Prager Frühling endet im August 1968, Sowjetpanzer machen den Träumen ein blutiges Ende. Kohout wird aus der Partei ausgeschlossen, mit Bühnen- und Publikationsverbot belegt, von der Geheimpolizei schikaniert. "Ich sah nicht voraus, das es eine Allegorie auf das Schicksal meines Landes und meiner Partei werden würde", setzt Kohout dem "August" ein neues Vorwort.

Mitunterzeichner der Charta 77

Mit der von Vaclav Havel angeführten Menschenrechtsbewegung "Charta 77" gelingt es Kohout und anderen Dissidenten, den Eisernen Vorhang 1977 einmal mehr schriftlich zu durchdringen, um im Westen auf die sozialistische Realität aufmerksam zu machen.

Es entwickelt sich der tschechische "Fall Biermann": Als der Schriftsteller 1978 nach Wien reiste, um den Österreichischen Staatspreis für Europäische Literatur entgegenzunehmen, nützte die Tschechoslowakei diesen Auslandsaufenthalt, um den unbequem gewordenen Regimekritiker auszubürgern. Offene Proteste bleiben erfolglos.

Anerkennung in Österreich
1980 nimmt Kohout in Wien die österreichische Staatsbürgerschaft an. 1999 erhielt er das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst 1. Klasse, 2004 die Ehrenmedaille der Stadt Wien in Gold. Dabei wurde er als"eine der großen politischen und kulturellen Persönlichkeiten Europas" gewürdigt.

Der Geehrte freute sich damals über das Lob und verkündete, zur Feier unter anderem seinen Friseur, Bankberater und seine Wirtschafterin eingeladen zu haben: "Ihr seid mein Österreich". Allerdings habe er sich in diesem Land nie politisch engagiert, auch wenn er aus persönlichen Gründen im Unterstützungskomitee für den heutigen Bundespräsidenten, Heinz Fischer, vertreten war: "Ich bin davon ausgegangen, dass mein politisches Engagement schon einem Land gereicht hat", so Kohout damals mit dem ihm eigenen bitteren Humor.

Europäische Gesinnung

Rehabilitiert wird Kohout daheim erst nach 1989 mit der Samtenen Revolution; 1996 gründet er das "Prager Theaterfestival deutscher Sprache". Seit damals laden Kohout und seine Mitstreiter bemerkenswerte deutschsprachige Produktionen nach Prag ein. Die Schirmherrschaft des Festivals wurde wiederholt von den Staats- und Regierungspräsidenten Deutschlands, Österreichs, Luxemburgs, Tschechiens und der Schweiz übernommen. Mit den oft modernen Inszenierungen hat sich das Theaterereignis zu einem Fixpunkt des tschechischen Kulturlebens entwickelt und junge Regisseure inspiriert.

Als wichtigstes Ereignis der modernen Zeit nannte Kohout immer wieder den Beitritt seiner beiden Heimatländer zur EU. Wenn möglich, so Kohout einmal mit Blick auf das eigene Schicksal, sollten viele Europäer nicht nur Doppelbürger, sondern 25-fache Bürger werden, damit man die unterschiedlichen Gefühle und Sichtweisen an sich selbst betrachten und so nach Frieden spendenden Lösungen suchen könne.

Hör-Tipp
Im Gespräch, Donnerstag, 21. August 2008, 21:01 Uhr

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