Woodstock und Altamont

Als der Pop die Unschuld verlor

Im August 1969 fand in Woodstock die bis dahin größte Free-Party der Geschichte statt. Mit dem Auftritt der Rolling Stones in Altamont fand die überwiegend friedvolle Ära der Love-and-Peace-Generation allerdings ein abruptes und blutiges Ende.

Die Rolling Stones, die sich inspiriert durch eine Textzeile aus dem Muddy-Waters-Klassiker "Mannish Boy" so genannt hatten, veröffentlichten 1967 ihr mittlerweile sechstes Album, "Their Satanic Majesties Request", das sie als Antwort auf den Beatles-Geniestreich "Seargent Pepper's Lonely Hearts Club Band" verstanden sehen wollten.

Das Cover der Platte zierte ein aufwändiges 3D-Foto der Band und musikalisch war man hauptsächlich damit zugange, auch noch die vierte und fünfte Dimension zu erschließen. Für den psychedelischen und ungewohnt experimentellen Sound hauptverantwortlich zeichnete Gitarrist Brian Jones, der sich zu dem Zeitpunkt allerdings immer mehr im Teufelskreis aus Drogen, Depressionen und Alkohol zu verstricken begann.

Abschied von Brian Jones

Am 8.Juni 1969 verließ Jones, vom Drogenmissbrauch körperlich schwer gezeichnet, die Band, nachdem ihm Mick Jagger und Keith Richards den Ausstieg unmissverständlich nahegelegt hatten. Knapp ein Monat später ertrinkt Brian Jones unter ungeklärten Umständen bei einer Party in seinem Pool. Zwei Tage darauf widmen die Rolling Stones ihr "Free Concert" im Hyde Park, das sie ursprünglich zur Einführung des neuen Gitarristen Mick Taylor geplant hatten, ihrem verstorbenen Ex-Kumpel.

Vor einer knappen Viertelmillion Menschen rezitierte Mick Jagger, ganz in Weiß gewandet, ein eindringliches Gedicht von Shelley, ließ Hunderte von Schmetterlingen in den Himmel steigen und winkte dem langjährigen Wegbegleiter Goodbye.

Love, Peace & Music

1969 war das Jahr, in dem die Popmusik endgültig ihre Unschuld verloren hat. Als im August über 400.000 Menschen das Festivalgelände in Woodstock kurzfristig in die bis dahin größte Free-party-Zone der Geschichte umwidmeten, hatte der Wirtschaftsfaktor Popmusik bereits so viel Fahrt aufgenommen, dass eine mulimediale Vermarktungsmaschinerie zur Profitmaximierung anlief, die in diesem Ausmaß davor noch nicht bekannt war: Dreifach- und Doppelalben mit den bekanntesten Bands des Festivals in den Plattenläden, dazu ein Kinofilm in weltweitem Streueinsatz, Bücher, T-Shirts etc. etc. Und das alles unter der blauäugigen Überschrift "Love, Peace & Music".

Der zugrunde liegende Traum von Friede, Freude, Freiheit sollte ein paar Wochen später bei einem anderen Konzertgroßereignis brutalst zerstört werden. In Woodstock bat Richie Havens noch mit seinem Urschrei nach "Freedom" das anwesende Hippievolk zum Frieden stiftenden Schulterschluss im Namen der Freiheit, ein paar Wochen später sollten Hell's-Angels-Schläger in Altamont die Woodstockvision zu den Klängen von "Sympathy For The Devil" brutal zu Tode treten.

Gewaltexzesse in Altamont

Mit dem Auftritt der Rolling Stones in Altamont ging die überwiegend friedvolle Ära der Love-and-Peace-Generation blutig zu Ende. Zum Konzert auf der ehemaligen Speedwaybahn in Nordkalifornien, das in Anlehnung an Woodstock wegen des großen Publikumansturms kurzfristig zu einem Free-concert umorganisiert wurde, kamen über 300.000 Menschen, die sich einer wild gewordenen, aggressiven Meute von Bikern gegenübersah, die vom Veranstalter als Ordnungskräfte engagiert worden waren.

Statt Ordnung gab es Chaos, Schlägereien, Gewaltexzesse und am Schluss vier Tote. Der brutale Mord an der 18-jährigen schwarzen Meredith Hunter ist im Konzertfilm "Gimme Shelter" dokumentiert, der die beklemmende Atmosphäre des Festivals dermaßen eindringlich verdichtet, dass er zum düsteren Kontrapunkt des Woodstock-Films mutierte. Der Summer of love endete spätestens am 6. Dezember 1969 vor der Konzertbühne in Altamont.

Hör-Tipp
Zeitmaschine, Sonntag, 20. Juli 2008, 21:15 Uhr

Links
The Rolling Stones
Wikipedia - Woodstock
süddeutsche.de - Altamont 1969