Das Leben an der Rennstrecke
7915 km
Der Dokumentarfilm "Unser täglich Brot" hat Nikolaus Geyrhalter zu einem der Aushängeschilder für die österreichische Doku-Szene gemacht. In seiner neuesten Doku zeichnet er das Leben entlang der Rallye-Strecke Paris-Dakar, jedenfalls auf afrikanischer Seite nach.
8. April 2017, 21:58
Aus dem ursprünglichen Titel "Paris-Dakar" ist kurz vor Veröffentlichung des Films eine schlichte Entfernungsangabe geworden: "7915 km" nennt sich die neue Doku des zuletzt mit "Unser täglich Brot" erfolgreichen österreichischen Filmemachers Nikolaus Geyrhalter. Die Kilometer-Anzahl beschreibt die Entfernung zwischen der französischen und der senegalesischen Hauptstadt. Im Mittelpunkt des Films, der am Sonntag bei der Viennale seine Österreich-Premiere feiert, steht jedoch weniger die Rallye als vielmehr das Leben entlang der Strecke.
Beschränkung auf die afrikanische Strecke
Während die Rallye-Fahrer die gesamte Strecke üblicherweise in zwei Wochen bewältigen, nahmen sich Geyrhalter und seine mehr als zehnköpfige Filmcrew nach drei Jahren Vorbereitungszeit etwa vier Monate Zeit für die Dreharbeiten von Marokko (bei Kilometer 1.009) bis zum Ziel in Dakar (bei Kilometer 7.915). Die Rennautos verlor man so naturgemäß schnell aus den Augen - übrig blieben vielmehr die Eindrücke jener Menschen, durch deren Land sich die Wüstenstrecke zieht.
Keine Zeit
"Sie hatten hübsche Autos und sind wirklich gut gefahren", erzählt etwa ein marokkanisches Mädchen in einem kleinen Wüstendorf, wo Kinder mit Autoreifen herumtollen oder Fußball spielen und die Vögel friedlich zwitschern. "Ich habe sie auf einen Tee eingeladen, aber sie hatten keine Zeit." Die ruhigen, fast fotografischen Einstellungen, die das Land - und vor allem den Sand - einfangen, konterkarieren schnell die zweiminütige abenteuerliche Einleitung im Autosalon in Paris.
Vorherrschaft der Technik
Wo anfangs monumentale Musik, knurrende Motoren und spektakuläre Aufnahmen zur Vorbereitung auf die Rallye dominieren, findet sich entlang der Strecke nur wenig von der angepriesenen Exotik. Die negativen Auswirkungen des Rennens sind nachhaltiger als die oberflächlichen Fernsehbilder für Sportfans. "Sie haben die Straßen hier ruiniert, das Terrain ist jetzt nutzlos", beklagt sich ein Nomade. Dabei hätte er einigen irregeleiteten Fahrern durchaus helfen können: "Aber sie haben ja mehr Vertrauen in ihr GPS als in meine Worte."
Afrikanisch-europäische Ambivalenzen
Geyrhalter versucht die afrikanische Sicht auf Europa festzumachen, gleichzeitig erzählen Menschen aus Mauretanien, Mali oder dem Senegal vom extremen Mangel an Möglichkeiten für die Bevölkerung jener Länder. "Darum wollen alle nach Europa", meint einer resignativ. "Manchmal funktioniert es, manchmal nicht. Aber es ist immer noch besser, als hier herumzusitzen."
In der Hafenstadt Dakar liegen havarierte Schiffe, die neuen Boote für neuerliche Fluchtversuche stehen schon bereit, und der Eindruck, dass viele Probleme des Kontinents ihre Wurzeln in Europa haben, lässt sich nicht so leicht abschütteln. Geyrhalter lässt seine Doku mit einem Flüchtlingsboot auf einem Suchmonitor ausklingen, dem voll besetzten Boot nähert sich langsam die Küstenwache. Und dann Schwarzbild. Den Rest kennt man nur allzu gut aus den Nachrichten.
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