Die Aktualität der Klassik
Drei CityScienceTalks
Im Rahmen der Reihe CityScienceTalk diskutierten Wissenschaftler und Künstler über Inszenierungen der Salzburger Festspielsaison. Wofür steht das gestohlene Geld in Dostojewskis "Verbrechen und Strafe"? Wo formieren sich Schillers "Räuber" heute?
8. April 2017, 21:58
"Artfremde" bezeichnet der Schauspielchef der Salzburger Festspiele Thomas Oberender gerne die Wissenschaftler, die bei den drei Gesprächen mit Künstlern ausgewählte Inszenierungen der diesjährigen Festspielsaison in Schloss Leopoldskron diskutierten und auf eine wissenschaftliche Betrachtungsebene über das Künstlerische hinaus setzen.
Die Stücke, die den Gesprächen zugrunde lagen sind: "Die Räuber", "Jedermann", "Verbrechen und Strafe", "Don Giovanni" und "Harper Regan".
Was nun haben diese Inszenierungen mit dem "Kapitalismus der Gefühle" zu tun? Was sind die emotionalen Ressourcen der Wertschöpfung? Nun: Kunst und Geld sind in allen Epochen eine Symbiose eingegangen. Zum Wohle der Kunst? Zum Wohle der Menschheit oder zum Wohle des eigenen Prestiges?
Vom Kampf über die Wahrheit
"Schillers Räuber" beispielsweise "sprechen Französisch und Latein, sie empfinden sich als frei und ehrenhaft und sind auf höhere Schulen gegangen, bevor sie ihre niedrigen Taten begingen." Und wo formieren sich heute die rabiaten Räuberbanden und bedrohen die Gesellschaft? Wo liegt ihr "Unbedingtheitswahn"?
Seit Schiller scheint sich wenig verändert zu haben, scheint sich Karl Moors Wahn dort zu finden, "wo sich ein Gedanke aus Verzweiflung, Diskriminierung und Einsamkeit zu einer Radikalität steigert, die letztlich selbst die Geliebte dem Gehorsam opfert".
Auch heute wird die Abwesenheit eines Vaters ersetzt durch die Anwesenheit eines Führers, der sein Gefolge in den Krieg führt. Täglich ist davon zu lesen: vom Krieg der Generationen, vom Kampf um die Wahrheit, vom Streit ums Recht. Darüber diskutieren die in Istanbul geborene Juristin Syran Ates, die Richterin Ruth Herz und der Regisseur Tore Vagn Lid. Ihnen gegenüber sitzt der Neurobiologe Joachim Bauer mit seinen neuesten Forschungsergebnissen. Denen zufolge sind wir auf Kooperation, nicht auf Kampf aus.
Über die Macht des Geldes
Andrea Breth bringt Dostojewskis Roman "Verbrechen und Strafe" ("Schuld und Sühne") im Salzburger Landestheater auf die Bühne. Hier wird einer der bekanntesten Kriminalfälle der Weltliteratur geschildert.
Es ist der Student Raskolnikow, der in einem nahezu perfekten Verbrechen eine Pfandleiherin tötet, ihr gestohlenes Geld vergräbt, es aber nie wieder aus der Gartenerde hervorholt. Wofür steht dieses gestohlene Geld? Wofür steht das Stück Papier, die klingende Münze überhaupt, wenn man genug zum Leben hat? Ist es Segen oder Fluch?
"Wie ist das Geheimnis zu entschlüsseln, dass dieses stoffliche Nichts eine derartige Macht über Menschen gewinnen kann, dass sie für Geld alles tun und all ihr Tun am Geld messen? Was bedeutet es, wenn Werte und Tugenden, Glück und Gesundheit, Humanität und Solidarität zu Geldfragen werden?", fragt der Philosoph Konrad Paul Liessmann. Und was heißt es für die Kunst wenn der Wert eines Bildes gleich einer Aktie gehandelt wird?
Beim CityScienceTalk im Festspielsalon diskutierten darüber der Philosoph Konrad Paul Liessmann, der Investmentbanker Wilfried Stadler, die Kulturwissenschafterin Gabriele Sorgo, sowie der Regisseur und Schauspieler Sven-Eric Bechtolf.
Hör-Tipps
CityScienceTalk, "Die Räuber heute - Ideale und Rebellion", Salzburger Nachtstudio, 20. August 2008, 21:01 Uhr
CityScienceTalk, "Kapitalismus der Gefühle", Salzburger Nachtstudio, 27. August 2008, 21:01 Uhr
CityScienceTalk, "Philosophie des Geldes", Salzburger Nachtstudio, 3. September 2008, 21:01 Uhr