Von Klassik bis Jazz

Musikproduzent Joachim Lieben gestorben

Der Musikproduzent Joachim Lieben ist in der Nacht auf Mittwoch verstorben, ließ die Internationale Gesellschaft für Neue Musik verlautbaren. Dem 1930 in Wien Geborenen verdankt das heimische Musikleben die Gründung wichtiger Ensembles.

Die IGNM, die Internationale Gesellschaft für Neue Musik, schrieb es aus: Sie trauert um ihr Ehrenmitglied Joachim Lieben. Mit ihr müsste die österreichische Musikwelt fühlen. Lieben starb in der Nacht von 5. auf 6. August 2008 in Wien. Der verstorbene Musikproduzent war nach vielen überstandenen Lebenskrisen einer besonders heimtückischen Krankheit erlegen. Seit seinem Eintritt in die IGNM im Jahr 1954 - noch mit historischen Größen wie Erwin Ratz und Josef Polnauer - war Lieben bis zum Frühjahr 2008 für die IGNM ehrenamtlich tätig.

Lieben stammt aus eine spannenden Wiener Familie: Sein Neffe Christoph hat als langjähriger Generalsekretär des Wiener Konzerthauses den Musikmanagement-Faden aufgenommen, sein Onkel Robert war ein technischer Erfinder und Radio-Pionier, die Familie, aus der auch die Komponistin Josefine von Winter stammte, war bereits Ausstellungsthema des jüdischen Museums Wien.

Zahlreiche Initiativen

Der am 9. November 1930 in Wien Geborene war einer der großen Musikproduzenten Österreichs. Das österreichische Musikleben verdankt ihm die Gründung des Ensembles die reihe, des Alban Berg Quartetts, des Ensembles musiqua antiqua, des Wiener Jeunesse Chores, des Wiener Jeunesse Orchesters, des Ensembles Kontrapunkte.

Seine zahlreichen Initiativen brachten Wien mit Duke Ellington, Quincy Jones, Juliette Greco und Charles Aznavour und anderen Größen aus Jazz und Pop zusammen. Seine "Stimmen der Welt"-Reihe, die in ganz Österreich und auch in München stattfand, präsentierte erstmals Miles Davis, Frank Zappa, Jimi Hendrix oder Peter Alexander. Er überschritt die Grenzen der Konzertsäle, organisiert Santana, Rolling Stone und Supertramp in Wiener und Münchner Stadien. Er war Mitbegründer des Jazzfests Wien, Mitinitiator des IMZ, er war in beratender und assistierender Funktion für fast alle österreichischen Konzertveranstalter tätig.

Erstaunlich undokumentiert
Es wirft einen erstaunlichen Blick auf unser Musikleben, dass Liebens Leben so wenig Thema für Musikjournalismus und Musikwissenschaft war, dass er ungeehrt-unbeachtet nach 50 Jahren Musikarbeit bleibt. Der, der soviel bewegte, ist erstaunlich undokumentiert, eine Google Suche ergibt keinen einzigen brauchbaren Treffer. Seine ungeschriebenen Memoiren werden uns fehlen.

Er kannte die Rückseite der Stars: der mit Gulda frühmorgens auf der Kärntner-Straße Zeitungen zum Kritiken-Studium sammelte, junge Pianisten wie Zykan zum öffentlichen Unterricht im Schwanzer-Pavillon auf der Brüsseler Expo 1958 begleitete, der Oscar Peterson und Max Roach nach Wien holte.

Ermunterer neuer Musik
Im Gespräch erfuhr man von Lieben, dass er von seinem Jahrgangskollegen Friedrich Gulda einmal zum Generalmanager ernannt wurde. Tatsächlich ist die Kategorien überspringende Konzertätigkeit Guldas viel sein Verdienst. In den Nachlässen und Fonds österreichischer Komponisten finden sich - würde man danach suchen - viele Briefe Liebens als Auftraggeber und Ermunterer neuer Musik.

Joachim Lieben hatte am Konservatorium der Stadt seine musikalische Ausbildung als Pianist begonnen, bei Viola Thern und Herta Offner; hatte Cembalo und Horn aber auch Wirtschaft studiert, ebenso Regie an der Filmakademie Wien. Sein Onkel Robert ist ein technischer Radiopionier. Joachim Lieben sah sich nie als Künstler, aber als leidenschaftlicher Ermöglicher - was eine ziemlich unbedankte Karriere ist.

Hör-Tipp
Pasticcio, Dienstag, 12. August 2008, 8:15 Uhr