Vom Wecker in den Tag gerissen

Frühmorgens in der Küche

Der Wecker reißt mich zeitig in den Tag, eine unbekannte Konstante im Zeitverlauf. Auf der Suche nach Zugang zum Internet krieche ich durch die Wohnung, starre stupide auf blinkende Lämpchen, rüttle an Steckern und telefoniere, aber: ohne Erfolg.

Wenn sich das Fiktive nicht einstellt, muss man bei der Wahrheit bleiben. Vom Wecker sehr zeitig in den Tag gerissen, sitze ich in der Küche und tippe. Drei, vier verschiedene Erzählstränge kämpfen sich nach vorn, knurren sich an wie grantige Hunde und wollen geschrieben werden, aber aus tausend Gründen, aus siebenhunderttausend Gründen liegen sie hechelnd im Eck. Die Mikrowelle starrt mich schlaftrunken an mit ihrem schwarzen Aug.

Das Basilikum wächst sich aus. Hinter mir wird laut geniest. Unser Hof ist ein Schallverstärker, vielleicht sind das alle Höfe.

Gestern spät nach Hause gekommen, setzte ich mich an den Schreibtisch, um diesen Text zu schreiben. Das Denken war viel konkreter, es ging um das Unperfekte, das nicht ganz Schöne, das Aufgeraute im Vergleich zum Glatten. Die Idee dazu fühlte sich gut an, warm. Sie war im Bus gekommen, beim durch Wien fahren von einem Ende zum anderen. Dann also, nach einem langen, trockenen Tag, nach Arbeit und Training, noch etwas verschwitzt, hingesetzt und vorgenommen: Jetzt schreib, dann dusche, dann schlafe.

Notebook gestartet, keine Verbindung zum Internet. Ich versuche dies und jenes, starte neu, stecke dort aus und wieder an, prüfe da die Verbindung, starre auf blinkende Lämpchen, krieche in Ecken, rüttle an Steckern, bewege mich stupide durch die Wohnung auf der Suche nach dem Fehler, nach dem fehlenden Stück nach draußen. Nichts. Ich suche nach der Servicenummer, rufe an, tippe folgsam erst die eins, dann die zwei. Man sagt mir mit elektrischer Stimme: Leider erreichen Sie uns außerhalb unserer Servicezeiten. Auf Wiederhören.

Auf Wiederhören. Ja, wann? Wann gibt es dort wieder ein Gegenüber, das mir Zugang verschafft? Ich wollte vor dem Schreiben noch die Mails abrufen, nachlesen, was sich getan hat tagsüber, was sich tun wird am nächsten Tag. Wollte den Plan sehen, den Kalender, welche Termine. Wann muss ich aufstehen, wann was machen, um rechtzeitig dort zu sein, wo ich zu sein habe? Ich rechne zurück, bevor ich den Wecker stelle. Zum Beispiel: Treffen um zehn, halbe Stunde Fahrtzeit, halb zehn, halbe Stunde für Badezimmer, neun, halbe Stunde frühstücken, halb neun, Wecker also auf acht Uhr fünfzehn.

Am Morgen bin ich ein träges Faultier. Wache langsam auf. Bewege mich vorsichtig und schwer. Nutze jede Minute aus, die mir bleibt im Übergang vom Schlafen zum Wachsein. Gute Planung ist hilfreich, das Wissen um die Fronten des neuen Tages für die Wahl der Waffen, oder: Reichen Jeans, T-Shirt und Turnschuhe, muss es etwas Edleres sein. Das zu wissen, kann beim Einschlafen helfen.

Schwachsinnig sitze ich vor dem Notebook. Für den Text brauche ich kein Internet. Ich kann ihn schreiben, auf dem USB-Stick in die Firma tragen und dort verschicken. Aber. Aber, aber. Meine Ordnung ist gestört, der Rhythmus stimmt nicht, die fragile Idee hat sich beleidigt ins Hinterzimmer verzogen. Der morgige Tag ist eine unbekannte Konstante im Zeitverlauf, der ich schlecht vorbereitet gegenübertrete. Die Müdigkeit gewinnt Oberhand. Duschen, schlafen. Schreib in der Früh.

Hier sitze ich also, draußen wird's hell, mein Körper ist noch bettschwer. Ich ärgere mich über diesen Zwang nach Struktur und über die Anstrengung, derer es manchmal bedarf, etwas gut sein zu lassen.

Weil. Ist alles nicht so schlimm. Ich steh auf und strecke mich, bis die Gelenke knacken. Schwarzer Tee und Honigbrot. Jetzt werde ich mich waschen, anmalen und rausgehen. Nichts ist wichtig, aber das Licht im August an manchen Tagen perfekt. Ich steh beim Fenster und weiß: Zumindest das ist sicher.