Die Psychoneuroimmunologie

Psyche und Immunsystem

Als relativ junger interdisziplinärer Forschungszweig liefert die Psychoneuroimmunologie immer mehr evidenzbasierte Erkenntnisse über die Zusammenhänge zwischen Psyche und Immunsystem. So verheilen etwa Wunden unter Stress schlechter.

Dass bei Aufregung und Angst das Herz zu rasen beginnt, chronischer Stress zu erhöhtem Blutdruck führt, dass andererseits regelmäßiges Meditieren zu Veränderungen der Hirnstrukturen führt - das sind nur einige Beispiele die zeigen, dass geistig-seelische Fähigkeiten und Reaktionsweisen auch Auswirkungen auf den Körper und seine Organfunktionen haben.

Aus dieser Erkenntnis ist die sogenannte Psychosomatik hervorgegangen (Psyche für Atem, Hauch und Seele; Soma für Körper, Leib und Leben). Mit der Psychoneuroimmunologie ist zu beginn der 1980er Jahre eine neue Ära der Psychosomatik angebrochen. Der Begriff geht auf den amerikanischen Psychiater und Psychologen Robert Ader zurück, der 1981 unter dem Titel "Psychoneuroimmunologie" einen Sammelband zum damaligen Stand des evidence-basierten Wissens über die Zusammenhänge zwischen Nervensystem, Hormon- und Immunsystem herausgab. Seither wurde das Wissen über die Interaktionen dieser komplexen Systeme durch eine Vielzahl von Forschungsarbeiten erweitert.

Stress beeinträchtigt das Immunsystem

In einer erst kürzlich veröffentlichten Meta-Analyse, das heißt in einer mit quantitativen, statistischen Mitteln erarbeiteten Zusammenfassung von mehr als 180 Primär-Untersuchungen, wurde nach Christian Schubert, dem Leiter des Labors für Psychoneuroimmunologie der Innsbrucker Universitätsklinik für Medizinische Psychologie und Psychotherapie, eindeutig belegt, dass einige Faktoren des Immunsystems unter unterschiedlichsten Stressarten beeinträchtigt sind.

So sinkt etwa die Fähigkeit von bestimmten Immunzellen, sich auf einen Wachstumsreiz hin zu teilen und zu vermehren. Das ist insofern fatal, als für eine gut funktionierende Krankheitsabwehr und Krankheitsbekämpfung nicht nur die Funktion dieser Immunzellen gewährleistet, sondern darüber hinaus auch eine bestimmte Anzahl dieser Zellen vorhanden sein muss. Im Bedarfsfalle - etwa im Kontakt mit einem Krankheitserreger - ist es nötig, dass sich die Zellzahl erhöht. Stress und psychische Belastung können aber nicht nur die Fähigkeit zur Zellteilung hemmen, sie können unter anderem auch die für die Tumorbekämpfung wichtigen Natürlichen Killerzellen in ihrer Aktivität hemmen.

Ein komplexes Miteinander

Heute sei eindeutig belegt - so der Wiener Neuroimmunologe Hans Lassmann -, dass sich die Botenstoffe des Immun- und des Nervensystems gegenseitig beeinflussen, dass Botenstoffe des Immunsystems etwa die Funktion von Neurotransmittern übernehmen können. Andererseits können Botenstoffe des Nervensystems mit den Lymphozyten, bestimmten weißen Blutkörperchen interagieren und deren Funktion verändern.

So heilen Wunden unter Stress, unter vermehrter Ausschüttung des Stresshormons Adrenalin schlechter und es können, um ein weiteres Beispiel herauszugreifen, latente Virusinfektionen, die im Körper sozusagen "friedlich" schlummern, unter Stress reaktiviert werden und eine Erkrankung auslösen. Das sei nach Christian Wiedermann vom Krankenhaus Bozen experimentell und in klinischen Beobachtungsstudien eindeutig gezeigt worden. Unter Stress oder psychischer Belastung werden aber auch vermehrt Entzündungsvermittelnde Substanzen gebildet und die Folge können überschießende Entzündungsreaktionen sein.

Denken beeinflusst Aktivierung der Gene
Und last but not least gibt es zunehmend Hinweise darauf, dass unser Denken und Fühlen auch die Epigentik, die Aktivierung und Inaktivierung der Gene beeinflusst und somit einen größeren Einfluss auf die Entstehung von Krankheit oder Erhaltung von Gesundheit hat als lange angenommen.

Hör-Tipp
Dimensionen - Die Welt der Wissenschaft, Mittwoch, 27. August 2008, 19:05 Uhr