Die Suche nach dem Geist in der Maschine

Das Chinesische Zimmer

Der These, dass Computer dereinst in der Lage sein würden, zu denken, ist immer Skepsis entgegen geschlagen. Am meisten diskutiert wurde in dem Zusammenhang ein Gedankenexperiment des US-amerikanischen Philosophen John Searle, das bis heute umstritten geblieben ist.

Es gibt eine Theorie, die besagt: Denken ist nichts anderes als Rechenoperationen. Wenn das so wäre, dann könnte man das Hirn im Prinzip mit neuen Eigenschaften ausstatten, etwa mit einem Sprachmodul für Suaheli oder mit einem Programm, das auf Großmeisterniveau Schach spielt, oder gar einer mit einer Datei, die uns die Kreativität eines Pablo Picasso verleiht. Dass das aktuell nicht möglich ist, muss nicht extra betont werden, aber grundsätzlich sollte es dereinst möglich sein, weil jede Rechenoperation auf einem Computer durchgeführt werden kann.
Allerdings nur dann, sofern die Gleichung "Geist = Berechnung" stimmt.

Der Optimismus der frühen Jahre
In der Frühphase der Artificial Intelligence waren die meisten Forscher in dieser Hinsicht sehr zuversichtlich. Herbert Simon, einer der Pioniere dieser Disziplin schrieb im Jahr 1965: "In 20 Jahren werden Maschinen jede Arbeit erledigen können, die heute Menschen verrichten." - Und damit war wohlgemerkt vor allem geistige Arbeit gemeint.

Nun, mittlerweile sind seit diesem Zitat mehr als 40 Jahre vergangen, aber die Maschinenintelligenz ist meilenweit von prominenten Kinovorbildern - wie R2D2 oder gar einem HAL 9000 - entfernt. Dennoch scheint diese höchst optimistische Haltung auch heute noch verbreitet zu sein: Der britische Physiker und Experimentalpsychologe Kevin O'Regan meinte etwa kürzlich: "In einigen Jahren werden wir in der Lage sein, unsere Persönlichkeiten auf Computer hochzuladen."

Searles Gegenbeispiel
O'Regans Phantasie von der Persönlichkeit auf der Festplatte würde der US-Philosoph John Searle entschieden widersprechen. Er hat in den 1980er Jahren ein Gedankenexperiment entwickelt, das heute als absoluter Klassiker der modernen Philosophie gilt.

Es beginnt mit folgender Situation: John Searle sitzt in allein in einem Zimmer, das mit Körben voller chinesischer Schriftzeichen gefüllt ist. Er bekommt laufend chinesische Symbole in das Zimmer gereicht, kann aber nichts damit anfangen, denn John Searle spricht kein Wort Chinesisch. Aber er hat ein umfangreiches Regelbuch, das ihm sagt, was er mit diesen Symbolen tun muss. Eine Regel in diesem Buch könnte etwa lauten: "Nimm ein Kritzel-Kratzel-Zeichen aus Korb 1 und lege es neben ein Schnörkel-Schnarkel-Zeichen aus Korb 2."

Nehmen wir einmal an, dass die Symbolfolgen, die in das Zimmer gereicht werden, Fragen sind. Und nehmen wir an, dass die Symbolfolgen, die Searle mit Hilfe des Regelbuches erstellt, passende Antworten auf diese Fragen sind. Angenommen, die Antworten wären so gut, dass man sie nicht von jenen eines Chinesischen Muttersprachlers unterscheiden könnte, dann hätte Searle mit Hilfe des Regelbuches, das unschwer als Metapher für ein Computerprogramm zu erkennen ist, den Turingtest bestanden.

Aber hätte er deshalb auch Chinesisch gelernt? Die Antwort lautet: Nein, es gibt nur Regeln, aber es ist weit und breit kein Verständnis für die Bedeutung der Symbole entstanden.

Was bedeutet das?
Viele Leute glauben, Searles Argument wolle beweisen, dass Maschinen niemals Bewusstsein oder Geist entwickeln könnten. Doch das stimmt so nicht. Der Punkt ist subtiler: Auch
Maschinen steht prinzipiell die Tür zur Sphäre des Geistigen offen. Nur ist offenbar etwas an der herkömmlichen Art und Weise falsch, wie die heutigen Computer arbeiten. Deren Programme sind Regelwerke, die weder Bedeutung haben noch Bedeutung erzeugen können. Nicht die Maschinen sind das Problem, sondern die Konzentration auf die Berechnung, auf die nackte Syntax.

Wie kriegt man also den Geist in die Maschine? Searle sagt: Indem man eine Maschine baut, die genau jene kausalen Eigenschaften aufweist, die auch das menschliche Gehirn hat. Das heißt im Klartext: Auch Philosophen und Künstliche-Intelligenz-Forscher kommen um die Neurobiologie nicht herum. Einen einfacheren Weg gibt es nicht.

Hör-Tipp
Dimensionen, Montag, 8. September 2008, 19:05 Uhr