Eine Arbeit im Schatten

Krankenpflege

Über Stress und Arbeitszeiten der Spitalsärzte wird zu Recht häufig berichtet. Über Krankenpfleger und -pflegerinnen hört und liest man praktisch nichts, dabei handelt es sich um einen Berufsstand mit hoher Burn-Out-Gefährdung, der für mehr Anerkennung kämpft.

Der Beruf der Krankenschwester hat seine Wurzeln in der klösterlichen und militärischen Krankenpflege und wurde lange nur als Hilfsberuf der Medizin gesehen. "Seit einigen Jahren ist eine Emanzipationsbewegung im Gange", sagt Hanna Mayer. Sie leitet das Institut für Pflegewissenschaften an der Universität Wien. Krankenpflegerinnen und -krankenpfleger - so bezeichnen sie sich selbst - treten für eine Aufwertung ihrer Arbeit ein. "Viele denken, Krankenpfleger tun nicht mehr, als den Patienten zu waschen und dessen Notdurft wegzuputzen", sagt Hanna Mayer, "So ein bissl pflegen, das könne doch jeder". Ab Herbstsemester 2008 kann man Krankenpflege als reguläres Bakkalaureats-Studium an der Universität Wien inskribieren, 2010 soll ein Masterstudium folgen.

Was heißt Pflegen?

Pflegen heißt, "sich professionell um einen kranken Menschen zu sorgen. Die Krankenschwester berät den Patienten, wie er mit Medikamenten umgehen soll, wie er seine Schmerzen lindern und selbst einfache Verbände anlegen kann. "Es reicht nicht nur einen Knochen zusammenflicken, man muss den Patienten auch im Genesungsprozess begleiten", erklärt Hanna Mayer.

Andere Länder, andere Sichtweisen
In den USA übernimmt Krankenpflegepersonal mehr medizinische Aufgaben als in Europa. Krankenschwester nehmen etwa in gynäkologische Vorsorgeuntersuchungen Krebsabstriche von Patientinnen und untersuchen deren Brust. In Schweden sind Krankenpfleger in Bezirkssprengel organisiert. Bei gesundheitlichen Beschwerden wendet sich die Bevölkerung an diese Sprengel und lässt sich von Pflegern beraten, an welchen Arzt sie sich wenden, wie sie mit den chronischen Schmerzen umgehen sollen. "Hier in Österreich wäre es unvorstellbar, dass man sich bei Rückenbeschwerden oder Bauchweh Rat bei einer Krankenschwester sucht", sagt Hanna Mayer.

Zu wenig Personal
Etwa 1.000 diplomierte Krankenpfleger und -pflegerinnen fehlen derzeit in Österreich, sagt Hanny Mayer. Ohne ausländische Kräfte, wäre das österreichischen Krankenhauswesen vermutlich nicht aufrecht zu erhalten. Der Personalmangel wirkt demotivierend auf das Personal, erhöht die Krankenstände und die Gefahr ein Burn-Out zu erleiden, hieß es 2006 im Pflegebericht des Bundesministeriums für Gesundheit. Durchschnittlich einmal pro Woche fühlt sich Pflegepersonal körperlich und emotional erschöpft, ein Drittel denkt mehrmals im Jahr daran, den Pflegeberuf zu verlassen.

Alkohol und Schlafstörungen
Martina Beham arbeitet an einer Station in einem psychiatrischen Krankenhaus. Durch die hohen Krankenstände und den Personalmangel könnten sich oft nur zwei Pfleger um 30 Patienten kümmern, erzählt die 41-Jährige. Das sei sehr belastend. Viele ihrer Kolleginnen leiden unter Schlafstörungen, Esstörungen, Magenschmerzen, Depressionen und Alkoholmissbrauch. Außerdem laugen die vielen Nachtdienste aus, sagt Martina Beham und die körperliche Belastung durch das Heben und der Patienten sei enorm.

Helfersyndrom
Das Abgrenzen sei schwierig in dem Beruf, sagt die 37-jährige Daniela Ernst. Sie war mit 19 Jahren als Berufseinsteigerin sehr enthusiastisch, hat sich stundenlang tragische Lebens- und Leidensgeschichten der Patientinnen auf der Krebsstation angehört, hat mit ihnen mit geweint, ist mit ihnen mit gestorben. Nach acht Jahren merkte sie die Folgen: "Ich konnte den Krankenhausgeruch nicht mehr ertragen. Täglich nach der Dienstübergabe, in der die Krankengeschichten besprochen wurden, bin ich aufs Klo gegangen und habe mich übergeben." Sie kündigte und erlitt danach einen völligen Zusammenbruch.

Es sei schon möglich, als Krankenpfleger in Pension zu gehen, sagt der Intensivpfleger Markus Brichta. Allerdings nur wenn der Arbeitgeber Rücksicht auf das Alter nimmt und ab 45 die Nachtdienste und körperlich anstrengende Tätigkeiten reduziert.

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  • Wie haben sie die Nachtdienste, den Personalmangel empfunden?
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Hör-Tipp
Moment. Leben heute, Dienstag, 9. September 2008, 17:09 Uhr