Hintergrundinformationen zum Konflikt

Kaukasus

Der Krieg in Georgien um die russisch dominierte Provinz Südossetien machte einmal mehr deutlich, dass die Kaukasus–Region ein Pulverfass ist. Der Band "Wegweister zur Geschichte: Kaukasus" bringt Hintergrundinformationen zurück bis ins 18. Jahrhundert.

In der Antike galt der Kaukasus den Menschen als Ende der Welt. Und die Griechen hielten den Gebirgszug lange Zeit für den höchsten der Erde. Es verwundert also nicht, dass die Erzählung vom gefesselten Prometheus ursprünglich hier angesiedelt war.

Auch heute noch nimmt der durchschnittliche westliche Medienkonsument die Kaukasus-Region vor allem als dunklen Ort wahr. Als Gegend, in der die Völker sich aus undurchsichtigen Gründen bekämpfen. Die Region ist ein Pulverfass und Namen wie Nagorny-Karabach, Südossetien, Georgien oder Tschetschenien stehen symptomatisch für die neuen Konflikte, die nach der Implosion der UdSSR ausbrachen.

Russisch dominierte Region

Will man die aktuellen Ereignisse in Georgien verstehen, dann muss man sich mit der Geschichte dieses Gebietes auseinandersetzen - eines Gebietes, das Jahrhunderte lang russisch dominiert war. In der russischen Literatur des 19. Jahrhunderts wurden die Einwohner wechselweise als "Edle Wilde" verklärt oder als bestialische Kämpfer verunglimpft. Alexander Puschkin schrieb während des Feldzuges im Jahre 1829:

Die Tscherkessen hassen uns. Es gibt kaum eine Möglichkeit, sie zu befrieden, es sei denn, man entwaffnet sie, was überaus schwierig durchzuführen ist in Folge der unter ihnen herrschenden Erbstreitigkeiten und der Blutrache. Dolch und Säbel sind Teile ihres Körpers, und der Säugling beginnt sie zu beherrschen, noch ehe er sein erstes Wort stammelt. Mord ist bei ihnen - nur eine Körperbewegung.

Unter zaristischer Herrschaft

Die Eroberung des Kaukasus war für das zaristische Russland eine mühselige Angelegenheit. Sie dauerte Jahrzehnte, belastete den Staatshaushalt massiv und brachte weder ökonomisch noch militärisch große Vorteile. Warum also all die Mühe? Ein Grund lag darin, dass der Zar den Anspruch hatte, ein mächtiger europäischer Herrscher zu sein; einer, dessen bewaffneter Arm auch nach Asien reicht.

Zunächst versuchten die russischen Eroberer, die annektierten Gebiete bloß zu befrieden und zu stabilisieren; die einheimischen Eliten wurden in ihren Herrschaftsrechten bestätigt. Erst als in den 1830er Jahren in St. Petersburg der Gedanke aufkam, die Kaukasusregion in die russische Rechtsordnung einzugliedern, veränderte sich das Verhältnis zwischen Einheimischen und Eroberern zum Schlechteren.

Auf zweierlei Weise brach die zaristische Regierung seit Mitte des 19. Jahrhunderts den Widerstand der Unterworfenen und integrierte die neu erworbenen Regionen in das Imperium: einerseits durch rücksichtslose Vertreibung und systematische Bestrafung rebellischer Volksgruppen, andererseits durch Integrationsangebote.

Tschetschenien-Krieg

Der vom deutschen Militärgeschichtlichen Forschungsamt herausgegebene Band über die Geschichte und Politik des Kaukasus ist ein überaus nützliches Buch. Übersichtlich und klar werden hier die Gründe für die aktuellen Verwerfungen geschildert. Die Geschlechterrollen im Südkaukasus werden ebenso thematisiert wie der Mythos des kaukasischen Kriegers. Der Einfluss des Islam wird ebenso beschrieben wie die armenischen und georgischen christlichen Kirchen.

Und auch der mittlerweile schon fast wieder vergessene Krieg in Tschetschenien wird in diesem Buch nochmals beleuchtet. Der erste 1996 beendete Tschetschenien-Krieg hat nach unterschiedlichen Schätzungen zwischen 60.000 und 120.000 Todesopfer gefordert, enorme materielle Schäden verursacht und die Hauptstadt Grosny in eine Trümmerwüste verwandelt.

Nach dem Frieden wuchs der Einfluss der islamistischen Gruppe innerhalb der tschetschenischen Unabhängigkeitsbewegung kontinuierlich an. Dies hatte zwei Hauptursachen: Zum einen waren die Islamisten aufgrund massiver Geldzuwendungen aus den arabischen Staaten finanz- und dadurch anziehungskräftig, zum anderen befriedigten sie bei vielen jungen Tschetschenen das Bedürfnis nach geistiger Orientierung.

Pulverfass Kaukasus

Am 1. Oktober 1999 marschierte die russische Armee erneut in Tschetschenien ein, um nach eigenen Angaben den Terror zu bekämpfen. Im Gegensatz zum ersten Krieg durften nun die Medien nicht mehr berichten. So hielten sich die internationalen Proteste in Grenzen. Und seit den Anschlägen vom 11. September 2001 in New York ließ die Kritik des Westens am russischen Vorgehen in Tschetschenien spürbar nach.

Der Kaukasus, das illustriert dieser Band nachdrücklich, ist ein Pulverfass, eine Region, die durch ihren Erdölreichtum zunehmend wichtiger wird, ein Gebiet, mit dem man sich auseinander setzen muss; nicht nur dann, wenn wieder einmal russische Truppen irgendwo einmarschieren.

Mehr zum aktuellen Kaukasus-Konflikt in oe1.ORF.at
Friedensstrategien für die Kaukasus-Krise
Abchasien - Krisenherd im Kaukasus
Pulverfass Kaukasus
EU ringt um Linie im Kaukasus-Konflikt
Georgier von Eskalation überrascht
Krieg im Kaukasus eskaliert

Hör-Tipp
Kontext, jeden Freitag, 9:05 Uhr

Buch-Tipp
Bernhard Chiari (Hg.), "Wegweiser zur Geschichte: Kaukasus", Schöningh Verlag

Link
Schöningh Verlag - Wegweiser zur Geschichte: Kaukasus