Die Schwester der Geliebten als Frau

Klavierunterricht in Wien-Landstraße

Haydn gibt während seiner Dienstzeit in Lukavec auch Klavierunterricht in Wien-Landstraße. Dort verliebt er sich in die jüngere Schwester seiner Schülerin Maria Anna, Therese, die jedoch ins Kloster geht. Der Vater bietet ihm Maria Anna als Frau an.

Haydn örtlich - Teil 19

Es ist eine seltsame Wiener Vorstadt, die nicht einmal einen Namen hat, der auf etwas Beständiges innerhalb ihrer Grenzen hinweist. Bezeichnet wird sie nach dem, was da hinein-, hindurch- und hinausführt. So, als wäre diese Vorstadt "Landstraße" nur ein Durchgang. Im Hinblick auf Haydn und später noch auf Mozart, Beethoven und Bruckner ist sie dies letztendlich auch. Für Wolfgang Amadé bedeutet die Landstraßer Adresse einen Abstieg aus der Wohlhabenheit, die ihn zwingt, aus der teuren Innenstadt in eine billigere Gegend zu übersiedeln, in der Hoffnung, sich bald wider ein Domizil im Zentrum leisten zu können. Der unstete Beethoven muss zwischendurch auch hier wohnen. Und Bruckner hat in diesem Bezirk seine letzte irdische Adresse.

Eine Gemeinde mit schöner Barockkirche

Es ist eine Bürger- und Handwerkergemeinde. Die namensgebende Hauptstraße führt nach Osten, ins Ungarische. Aber gleich in der Nachbarschaft ist St. Marx mit seinem Friedhof, der einmal das, was an Mozart sterblich ist, in sich begraben wird.

Es gibt eine schöne große Barockkirche, die aus Dankbarkeit und jedenfalls auch zur Sicherheit dem Pestheiligen Rochus geweiht ist und für die Peter Paul Strudel schöne Bilder gemalt hat. Und es befindet sich dort die Nicolauskirche mit dem zugehörigen Clarissenkloster. Auf diese Weise also auch dem Lieben Gott nahe genug, lebt man hier zumeist vom Fleiß und der Geschicklichkeit der eigenen Hände und von der Fähigkeit, mit den ständig wechselnden Moden zurecht zu kommen.

Ein Friseur als Arbeitgeber

Für den Friseur- und Perückenmachermeister Johann Peter Keller mit Haus und Werkstatt auf der Landstraße ist diese Fähigkeit Grundlage der beruflichen Existenz. Er ist geschickt genug, den regelmäßig wechselnden Geschmäckern der Damen und Herren Kundschaften Genüge zu tun. So kann er seiner Familie mehr bieten als die Befriedigung der Alltagsbedürfnisse. Die ältere von zwei Töchtern, Maria Anna Aloysia Apollonia lernt Klavierspielen. Zum Zwecke des Unterrichtes kommt Joseph Haydn heraus in die Vorstadt. Er ist drauf und dran, Karriere zu machen, spielt beim Grafen Haugwitz die Orgel, geht bald nach Lukavec als morzin'scher Kapellmeister.

Haydn, ein "Trauminet"

Erfahrungen mit Mädchen hat er freilich noch keine. Und besonders ansehnlich ist er auch nicht, mehr derb als stämmig von Statur - halt ein Kind "vom Land". Er selbst bezeichnet seine Erscheinung als "brutto ritratto" - und der Ausdruck steht auch nicht für Attraktivität. Er ist über die 20 schon einigermaßen hinaus, in eroticis halt ein Spätzünder und charakterlich das, was man in Österreich ein "Trauminet" nennt.

Die jüngere Keller-Tochter, die Therese, ist jetzt Gegenstand seiner ersten Verliebtheit. Erklärt sich der diesbezüglich unerfahrene und gehemmte Joseph ihr zu spät, oder muss er enttäuscht werden, weil sich das Ziel der Sehnsucht zu etwas Anderem berufen fühlt? Therese will jedenfalls eine Braut Christi werden und nicht die Haydns. Sie tritt ins nahe Clarissenkloster ein. Schwester Josepha wird sie von nun ab heißen.

Ein Werk zum Abschied

Joseph macht ihr ein Abschieds- und Einstandsgeschenk besonderer Art: Für ihre Einkleidungsfeier im Mai 1756 komponiert er ihr ein Orgelkonzert. Das ist sehr, sehr umfangreich, pendelt zwischen verhaltener Freude und Nachdenklichkeit, um gegen Ende doch so etwas wie einen endgültigen Punkt zu setzen.

Was sich jetzt weiter begibt, das kann nur verstanden werden, wenn man den Pragmatismus in Anschlag bringt, der den Menschen in Österreich zur damaligen Zeit in höchstem Maße eigen ist. Solcher Pragmatik an der eigenen Mentalität Anteil zu gewähren, das darf durchaus als Akt der Lebensklugheit und -erfahrung in schwierigen Zeitläufen anerkannt werden. Jedenfalls: Meister Johann Peter Keller kann dem enttäuschten Musikmeister sagen: "Nimmst halt meine Ältere, die Maria Anna. Kennst sie ja vom Klavierunterricht." In die ist Haydn zwar nicht verliebt, aber er sagt "ja". So Gott will, kommt mit der Ehe auch die Liebe - und die ist ohnehin mehr als Verliebtheit.

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Hör-Tipp
Haydn örtlich, jeden Montag, Mittwoch und Freitag bis einschließlich 22. Mai 2009, jeweils 15:06 Uhr

Links
austria.info - Joseph Haydn
Haydn 2009

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