Haydn erlaubt sich hin und wieder gerne einen Spaß

Tiefer Graben und Hohe Brücke

Joseph Haydn ist zwar Meister der Fuge, aber hin und wieder auch des Unfugs. So führt er etwa ein eher unbeliebtes Experiment am Tiefen Graben und auf der Hohen Brücke durch. Eine andere Geschichte ist ein Streit zu später Stunde im Wirtshaus.

Haydn örtlich - Teil 14

Joseph Haydn, der schon in seiner kompositorischen Frühzeit die strenge Form der Fuge meisterlich genug zu handhaben wusste, er war auch durchaus ein Meister des Unfuges.

Tiefer Graben, Hohe Brücke

Eine Wiener Örtlichkeit scheint den jungen Musiker besonders "unfüglich" angeregt zu haben: der "Tiefe Graben" im Zentrum der Stadt. Über diesen führt - was ja durchaus logisch erscheint - die "Hohe Brücke". Dieses dialektische Phänomen lässt sich musikalisch reizvoll nützen, wenn man den beiden Positionen jeweils ein eigenes Ensemble zuweist. Eine solche Art der Doppelchörigkeit wandte im 16. Jahrhundert beispielsweise Giovanni Gabrieli am venezianischen Markusdom mit seinen zwei Emporen an und ebenso Heinrich Schütz in Dresden.

So tut es an einem vorderhand noch stillen Abend auch Haydn. Er platziert eine Musikgruppe hoch oben auf der Brücke, eine andere tief unten im Graben. Einer harmonisch-stereophonen Serenade steht demnach nichts im Wege. Aber Haydn ist als Maitre de Plaisir auf etwas Anderes aus. Er hat jeder Gruppe Noten eines anderen Stückes auf die Pulte gelegt. Und was nun auf sein Zeichen hin erklingt, das ist etwas, wofür nicht einmal mehr die in dieser Hinsicht kundigen Katzen das Wort "Musik" gelten lassen würden. Der Arretierung wegen groben Unfuges und Erregung höllischen Lärmes durch den Nachtwächter kann sich der junge Herr "Veranstalter" dieser exklusiven Nachtmusik gerade noch entziehen.

Zwistigkeiten im Wirtshaus

Und es ist ebenfalls am Tiefen Graben, wo Haydn mit seinem Freund und Musikerkollegen Carl Ditters von Dittersdorf nächtlicherweise ein Wirtshaus besucht. Dieses ist nicht gerade eines der besten in der Stadt - aber der Zustand der beiden jungen Leute wird zu dieser Stunde schon in etwa mit dem des gewählten Lokales korrespondieren. Immerhin und allemal bietet man aber dort Musik an. Gerade wird ein Menuett heruntergespielt. Und Haydn erkennt es als eines seiner Komposition. Macht ihn das so übermütig, oder ist er vielleicht grantig darüber, was die zu dieser Stunde sich auch nicht mehr ganz auf der Höhe befindlichen Musikanten aus seinem Stück machen? Jedenfalls: er stellt sich mitten in die Gaststube hin und schreit: "Das ist aber ein rechter Scheißmenuett." - Für den gebildeten und daher des Italienischen kundigen Musiker Haydn ist "Menuett" natürlich auch im Deutschen ein Substantiv männlichen Geschlechtes. - "Die beleidigten Musikanten sind mit ihren Instrumenten und Bögen gleich auf uns los. Und es waren ordentliche Kerle. Aber Freund Ditters ist ihnen in dieser Hinsicht nicht nachgestanden. Er hat seinen mächtigen Leib zwischen mich und die aufgebrachten Spieler geschoben und so sind wir noch recht unbeschadet aus dem Wirtshause herausgekommen."

Ist das nun einfach ein Phänomen des zu allen Zeiten und allen Orten festgestellten und beklagten "jugendlichen Übermutes", oder haben wir es hier mit einem frühen, zugegebenermaßen noch recht ungeläuterten Ausbruch des so oft beschworenen "haydn'schen Humors" zu tun?

Wer diese Frage beantworten will möge Folgendes bedenken: Humor ist philosophisch gesehen eine Weltbewältigungsstrategie, eine durchzudenkende Methode, den Widerwärtigkeiten des Lebens dadurch zu begegnen, dass man ihnen den Ernst abspricht.

Ein Höchstmaß an intellektuellem Vermögen

Haydn hat zumindest von seiner Sängerknabenzeit an die Werke der antiken Philosophen und Dichter gelesen. Auch die private Bibliothek des erwachsenen Mannes enthält Vieles davon. Er beherrscht und versteht die lateinische Sprache sehr gut. Man darf, ja man muss ihm deshalb - dem scheinbar naiv-witzigen Komponisten - ein Höchstmaß an intellektuellem Vermögen zubilligen. Und daher auch den ernsthaft-gezielten Einsatz humoristischer Mittel, um mit dem grundsätzlichen Leid der Welt zurecht zu kommen. Denn wie sagt es uns der Meister selbst: "Was ich aber bin, ist alles ein Werk der dringendsten Not."

Mehr zu "Haydn 2009" in oe1.ORF.at

Hör-Tipp
Haydn örtlich, jeden Montag, Mittwoch und Freitag bis einschließlich 22. Mai 2009, jeweils 15:06 Uhr

Links
austria.info - Joseph Haydn
Haydn 2009

Übersicht

  • Haydn örtlich