Eine Verehrerin von Haydns Musik

Post für Haydn

Durch einen Klavierauszug, den er per Post erhält, lernt er eine Frau aus Wien kennen. Aus dem Briefwechsel entwickelt sich eine Freundschaft, Haydn widmet ihr sogar ein Klavierkonzert und eine Symphonie, beide in der "Marientonart" Es-Dur.

Haydn örtlich - Teil 42

In Esterháza erreicht den Herrn Kapellmeister ein Brief, datiert mit "Wien, den 10. Juny 1789.":

Hochgeehrter Herr von Hayden! Mit dero gütiger Erlaubnüs nehme ich mir die Freyheit, Ihnen einen Clavier Außzug des schönen Andante Ihrer mir so schätzbaren Composition zu übermachen, solchen auszug habe ich ganz allein aus der Spart ohne Mindester beyhilf meines Meisters gemacht...

Bildung und Geschmack

Eine Dame hat sich der schwierigen Aufgabe unterzogen, eine Orchesterpartitur in ein Klavierarrangement umzugestalten. Es darf postuliert werden, dass sie Bildung besitzt und auch Geschmack, weiß sie doch eine haydn'sche Symphonie zu schätzen, was beides gleichermaßen erfordert. Zu Hause ist sie im Schottenhof im Zentrum Wiens. Der gehört zum Gesamtkomplex eines von Herzog Heinrich II. Jasomirgott 1155 begründeten Benediktinerklosters. Der Babenberger berief Mönche aus Irland in seine Residenzstadt - und deswegen spricht man vom "Schottenstift", was auf keiner geographischen Ignoranz hierzulande beruht, sondern auf der Tatsache, dass Irland im Mittelalter "Magna Scotia", also "Groß Schottland" heißt.

Der Schottenhof ist eine feine Adresse und die Schreiberin des Briefes ist eine Dame der Gesellschaft: "Maria Anna Edle von Genzinger, Geborene Edle von Kayser" unterzeichnet sie sich. Ihr Mann ist ein geschickter und gesuchter Damenarzt. Haydn löst mit seiner Antwort einen der vielleicht berührendsten Briefwechsel der Musikgeschichte aus. "Hoch, und Wohl Gebohrne Gnädige Frau! Unter all mein bisherigen Briefwechsel war die Überraschung, eine so schöne Handschrift mit So gütigen Ausdrücken Durch zu lesen, für mich die aller angenehmste; noch mehr aber bewundere ich das eingeschickte - trefflich übersetzte Adagio, welches seiner Richtigkeit wegen jeder Verleger unter die Presse legen kann."

Zwei Werke für Frau von Genzinger

Haydn lobt nicht ohne Grund - und er wird mit zwei Kompositionen, die er "ganz allein" für Frau von Genzinger schreibt, deren musikalischer Intelligenz huldigen: zuerst mit einer formal hochinteressanten Klaviersonate in der "Marientonart" Es-Dur, die er mit einem Begleitschreiben versieht, in welchem er die Widmungsträgerin darauf aufmerksam macht, dass im letzten Satz das Thema des ersten wieder erscheint. Dann bedenkt er sie noch mit einer Symphonie gleicher Tonart, wo im ersten Satz die Hauptthemen im doppelten Kontrapunkt der Oktave exponiert werden - und dieses handwerkliche Kunststück ist eine Liebeserklärung an eine wirkliche Kennerin.

Gefühlsbekundungen

Das Wort "Liebeserklärung" ist hier - bei aller Diskretion - angebracht. Haydn wird sich gezwungen sehen, in einem Brief an Maria Anna derselben zu versichern, dass er nie etwas schreiben würde, was ihrer Tugend Schaden zufügen könnte. Und doch - wie gerne ist er in ihrer Nähe, wenn es während der dienstlichen Aufenthalte in Wien Gelegenheit dazu gibt. Ist er wieder in Ungarn, dann schreibt er seiner Herzensfreundin drastisch-melancholische Briefe:

Wohl Edl gebohrene, Sonders Hochschätzbare - allerbeste Frau von Genzinger! Nun - da siz ich in meiner Einöde - verlassen - wie ein armer waiß - fast ohne menschlicher Gesellschaft - traurig - voll der Erinnerung vergangener edler täge…..Ich konnte wenig schlafen, sogar die Träume verfolgten mich, dan, da ich an besten die opera le Nozze di Figaro zu hören traumte, wegte mich der Fatale Nordwind auf und blies mir fast die schlafhauben von Kopf.

Er klagt ihr auch von den "schwarzen Nocken" und dem "stuck von einer 50 Jährigen Kuhe", auf seinem Mittagsteller, was alles mit den "guten bißerln" in Wien nicht zu vergleichen ist.

Symphonie auf Reisen
Maria Anna - welches Kuriosum: ihre Taufnamen sind exakt dieselben wie jene von Haydns Ehefrau - ist verständnisvoll und gibt immer wieder Zeichen, wie sehr sie Haydn schätzt. Dieser nimmt die ihr gewidmete Symphonie mit auf seine erste Reise nach London und verspricht, ihr die Partitur so rasch wie möglich wieder zukommen zu lassen. Frau von Genzinger muss ihn ein paar Mal mahnen, weil er sein Versprechen nicht und nicht einlöst. Wenn er aus London heimkommt, wird sie nicht mehr unter den Lebenden weilen, in Haydns zwei Es-Dur Werken aber weiterleben.

Mehr zu "Haydn 2009" in oe1.ORF.at

Hör-Tipp
Haydn örtlich, jeden Montag, Mittwoch und Freitag bis einschließlich 22. Mai 2009, jeweils 15:06 Uhr

Links
austria.info - Joseph Haydn
Haydn 2009

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