Ein Reality Check

Ein Tag im Leben eines EU-Beamten

Langweilig, regulierungswütig und abgehoben: So in etwa sieht das Bild des typischen EU-Bürokraten aus, das viele Menschen in Österreich und in ganz Europa haben. Wir haben Helmut Blöch, einen österreichischen EU-Beamten in Brüssel, einen Tag lang begleitet.

Ein sechsstöckiges, modernes Gebäude mit viel Glas und zahlreichen Bäumen in der riesigen Aula: Das ist die Generaldirektion Umwelt in der EU-Kommission in Brüssel. Hier arbeitet der 61-jährige gebürtige Wiener Helmut Blöch.

Er ist stellvertretender Leiter der Abteilung Gewässerschutz und Meeresumwelt. Gemeinsam mit seinen etwa 30 Mitarbeitern ist er für die Entwicklung und Umsetzung der europäischen Wasser- und Gewässerschutzpolitik verantwortlich.

Werdegang

Der studierte Chemiker und Betriebswirt war ursprünglich Beamter der niederösterreichischen Landesregierung. Im Jahr 1994 kam er für einige Monate zum Schnuppern in die EU-Kommission. Es gefiel ihm und seiner Familie so gut in Brüssel, dass er sich hier um einen Job bewarb. Im Jahr 1996 bekam er eine Stelle in der Generaldirektion Umwelt. Seitdem lebt die Familie Blöch in Brüssel. Ob sie nach Helmut Blöchs Pensionierung in wenigen Jahren nach Österreich zurückkehren oder in Belgien bleiben wird, steht noch nicht fest.

Gewässerschutz ist grenzüberschreitend
Sauberes Trinkwasser, saubere Flüsse und Seen in Europa, Hochwasserschutz, Reinigung von Abwässern - all das ist in der EU gesetzlich geregelt - die Vorschriften und Richtlinien wurden in Helmut Blöchs Abteilung maßgeblich mitgestaltet.

Gerade im Bereich Gewässerschutz zeigt sich, dass EU-Regulierungen durchaus sinnvoll sein können: Da fast kein europäischer Fluss nur durch ein Land fließt - die Donau etwa hat ein "Einzugsgebiet" von fast 20 Ländern - sind grenzüberschreitende Gesetze und Regeln schlicht und einfach notwendig.

Helmut Blöchs wichtigste Tätigkeitsbereiche
Ausarbeitung von europäischen Gesetzen; Kontrolle, ob bestehende Richtlinien eingehalten werden: Falls dem nicht so ist: Vorbereitung der entsprechenden Gerichtsverfahren (bei Verurteilung droht dem säumigen Land eine hohe Geldstrafe), Beantwortung von parlamentarischen und Bürger-Anfragen zum Thema Gewässerschutz, Durchführung von Projekten (ZB Entwicklung eines Logos für sauberes Badewasser), Vorträge über EU-Politik im Bereich Wasser in ganz Europa.

Schlechtes Image
Viele Beamte der Generaldirektion Umwelt in Brüssel, so auch Helmut Blöch, sind überzeugte Umweltschützer, sie kämpfen für hohe Umweltschutzstandards in ganz Europa. Das Image der Weltfremdheit haben EU-Beamte ihrer Meinung nach völlig zu Unrecht: Ständig sind sie mit Politikern aller Ebenen, aber auch mit Umweltschutzorganisationen und "normalen" Bürgerinnen und Bürgern in ganz Europa in Kontakt. EU-Beamte stehen auch im (schlechten) Ruf, hoch bezahlt zu sein und wenig dafür zu tun. Helmut Blöch dazu: Er und seine Mitarbeiter würden ständig unbezahlte Überstunden machen. Die Gehälter für EU-Beamte bewegen sich zwischen 2.300 und 16.000 Euro pro Monat - zwölf Mal im Jahr. Steuern zahlen die EU-Beamten an die EU.

Brüssel als Zentrum überbordender Bürokratie?
Insgesamt arbeiten etwa 46.000 Menschen für EU-Institutionen, also für Kommission, Rat, Parlament und diverse Agenturen. Sie sind derzeit für die knapp 500 Millionen EU-Bürgerinnen und -Bürger zuständig. Zum Vergleich: Die Stadt Wien (1,7 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner) wird von rund 30.000 Beamten verwaltet - wobei die Zuständigkeiten naturgemäß nicht immer vergleichbar sind. Tatsache ist auch, dass, wer EU-Beamter werden will, ein schwieriges Auswahlverfahren durchlaufen muss und die EU daher nur die am besten qualifizierten Bewerber einstellt.

Lebensmittelpunkt Brüssel
Auch dass Brüssel eine langweilige Hauptstadt sei, in der man außer gut zu speisen abends nicht viel tun könne, kann Helmut Blöch nicht bestätigen. Er und seine Frau Irmtraud Blöch sind begeistert von der Multikulturalität der Stadt, dem Umgang mit Bekannten aus ganz Europa, dem reichhaltigen kulturellen Angebot und dem historischen Reichtum Brüssels.

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Links
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