Leuchtkraft und Individualität

Singende Geschwister

Die 1902 geborene Anny Konetzni war in Europa eine singuläre Erscheinung. Die ältere der beiden Konetzni-Schwestern genießt bis heute höchste Verehrung. Auch der vor 80 Jahren in Bulgarien geborene Spas Wenkoff hatte einen singenden Bruder.

Von den 1930er Jahren an waren sie vom Wiener Musikleben nicht wegzudenken, die legendären Konetzni-Schwestern: Anny, Jahrgang 1902, die Hochdramatische, und Hilde, 1905 geboren, mit ihrem jugendlich-dramatischen Jubelton. Zwar entsprachen die beiden etwas schwergewichtigen Damen kaum dem heutigen Schönheitsideal, doch sobald sie ihren Mund öffneten, waren alle Gewichtsprobleme vergessen.

Beide besaßen sie Stimmen von einer Leuchtkraft und Individualität, die nicht viele Beispiele in der Geschichte der Gesangskunst kennen. Abgesehen davon spürte man auch in jedem Ton das Herz, das in jeder Rolle mit dabei war.

Von der Altistin zur Hochdramatischen

Anny Konetzni hatte zwei berühmte Lehrer: den bedeutenden Heldentenor Erik Schmedes in Wien und später Jacques Stückgold in Berlin, der zu den prominentesten Gesangslehrern seiner Zeit gezählt hat. Begonnen hat sie ihre Karriere als Choristin an der Wiener Volksoper, wo man sie jedoch wegen "Stimmlosigkeit" bald entlassen hat.

Umso triumphaler kehrte sie an das Haus zurück: als Amneris in "Aida" feierte sie einen Riesenerfolg, ging danach aber in die deutsche Provinz, drauf und dran, sich nun das hochdramatische Sopranfach zu erobern.

Chemnitz: zum ersten Mal gemeinsam

Das stachelte bald den Ehrgeiz ihrer jüngeren Schwester Hilde an, die bislang eher als Sportlerin Furore gemacht hat und wegen ihrer Schwimmerfolge den Spitznamen "Froscherl" trug. Plötzlich wollte auch sie, die ihre ältere Schwester stets bewunderte, Künstlerin werden.

Beim einem Besuch in Chemnitz, wo Anny Konetzni inzwischen engagiert war, kam es zum überraschenden Debüt: In Wagners "Walküre" standen die beiden Schwestern erstmals gemeinsam auf der Bühne, Anny als Brünnhilde, Hilde als Sieglinde.

Schicksalsstadt Wien

Eine Kombination, die vor allem in Wien, schon wenige Jahre später immer wieder bejubelt werden konnte, denn beide hatten nach ersten großen Auslandserfolgen sich dennoch Wien zum Zentrum ihrer künstlerischen Tätigkeit auserkoren. Eine Entscheidung, die die beiden Schwestern in Kenntnis der politischen Weltlage später wohl bereut haben, hätten sie beide doch spielend auch irgendwo anders in der Welt reüssieren können, wäre ihre Liebe und Anhänglichkeit zur Heimat nicht so stark verwurzelt gewesen.

All diese Umstände sind auch schuld daran, dass die Karriere der Konetzni-Schwestern nicht annähernd so dokumentiert wurde, wie es dem Rang dieser großartigen Künstlerinnen eigentlich entsprechen würde. Und nach dem Krieg war es leider schon zu spät.

Der blaue Brief

In den beiden Ausweichquartieren der Wiener Staatsoper noch frenetisch gefeiert, erhielten sie vom neuen Direktor Karl Böhm die Kündigung. Doch während Hilde Konetzni danach reumütig wieder zurück gerufen wurde, war Anny dieser Triumph nicht vergönnt.

Geschockt von diesem unerwarteten Affront erlitt sie einen Schlaganfall, von dem sie sich nie mehr erholen sollte. Nach mehr als einem Jahrzehnt Siechtum ist sie am 6. September 1968 in Wien gestorben.

Die zwei Tenöre

Mit Jahrgang 1921 beziehungsweise 1928 gehören die Brüder Wenkoff bereits der nächsten Sängergeneration an. In Bulgarien geboren, erhielt der Ältere der beiden -Wenko Wenkoff - seine Ausbildung an der Wiener Musikakademie und noch in den letzten Kriegsjahren auch ein Engagement an die Staatsoper, an der er dann ebenso in den Nachkriegsjahren sehr viel gesungen hat, vor allem das italienische Fach.

In den 1950er Jahren war er außerdem in Italien tätig, unter anderem in Catania als Partner von Maria Callas in "I Puritani" von Vincenzo Bellini. Wenko Wenkoff war in Wien verheiratet und ist hier 1992 auch gestorben.

Jurist-Geiger-Tenor

Die Karriere seines jüngeren Bruders Spas Wenkoff hat hingegen in der bulgarischen Heimat begonnen. Zwar hat er zunächst ein Jus-Studium absolviert und auch als Jurist gearbeitet, daneben aber war er schon als Geiger am Operettentheater seiner Heimatstadt Tirnovo tätig, um dann quasi als Spätberufener den Sängerberuf anzustreben.

Lebensrolle Tristan
So gelangte er bereits als Tenor von Bulgarien in die DDR, ans Stadttheater Döbeln, nahm 1968 ein Engagement in Magdeburg an, wo er schon seinen ersten Tannhäuser sang, ging dann nach Halle, um schließlich 1975 in Dresden zum ersten Mal in der Regie von Harry Kupfer seine Lebensrolle "Tristan" zu verkörpern, die er in den nächsten rund eineinhalb Jahrzehnten 450 mal gesungen hat, mit ganz besonderem Erfolg in Bayreuth und an der Scala unter Carlos Kleiber.

Bravouröser Einspringer

Sein letztes Fixengagement fand Spas Wenkoff an der Staatsoper Berlin, danach war er ein vielgefragter Gast an allen großen Opernhäusern der Welt.

Auch in Wien ist er immer wieder aufgetreten, wobei vor allem die Premiere von Wagners "Tannhäuser" unter Kurzzeit-Direktor Lorin Maazel im Jahr 1982 stets in Erinnerung bleiben wird, musste er damals doch innerhalb von wenigen Minuten seinen bereits im 1. Akt aufgebenden Kollegen Reiner Goldberg ersetzen, was ihm geradezu bravourös gelungen ist.

Lebensabend in Bad Ischl

Inzwischen hat sich Spas Wenkoff längst von der Bühne zurückgezogen und hat Bad Ischl zu seiner Wahlheimat gemacht. Am 23. September 2008 feiert er seinen 80. Geburtstag.

Aus diesem Anlass erscheint im BS-Verlag eine Biographie von Peter Schneider unter dem Titel "Heldentenor Spas Wenkoff - Alles war Zufall".

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