Wort für Wort?
Jagdmusik
Zu den beliebtesten Imitationen konkreter Szenen gehört in der Musik die Jagd. Auch Franz Schubert hat Jagd-Lieder komponiert. Wie sind sie zu interpretieren? Auf die Ausdeutung einzelner Worte konzentriert oder in einer durchgehenden Grundstimmung?
8. April 2017, 21:58
Baker und McLaughin singen "Ellens Gesang" Nr. 2
Der Herbst ist nicht mehr aufzuhalten - und das heißt der Höhepunkt der Jagdsaison steht unmittelbar bevor oder hat schon begonnen. Das Jagen ist ja umstritten, für viele selbstverständliche Tradition, bei Tierschützern verpönt, in der Musik verläuft sie unblutig: schnell, rasant, manchmal majestätisch, natürlich mit den obligatorischen Hornsignalen, die aber oftmals (und das macht die Sache eigentlich noch interessanter) von anderen Instrumenten nachgeahmt werden.
Instrumentale Sätze, die mit "Jagd" oder "La Caccia" oder "La Chasse" überschrieben sind, gibt es in Barock und Klassik haufenweise. Aber auch von Schubert, Schumann und Satie wurde das Thema Jagd in Töne gesetzt.
Beliebtes Motiv
Die Jagd ist ein Motiv, das erstaunlicherweise durch die Jahrhunderte und Stile immer wieder als beliebtes Motiv auftaucht, natürlich sehr unterschiedlich, bei Franz Schuberts Wilhelm-Müller-Vertonungen etwa geht es nicht mehr nur um die forsche lebensfrohe Stimmung des Jagens.
In den Versen von Sir Walter Scott wird das Thema Jagd wieder anders behandelt. Aus dessen Erzählung "The Lady of the Lake" wurden unter dem Titel "Ellens Gesang" drei Gedichte herausgenommen und übersetzt. Schubert vertonte sie und im zweiten geht es darum, dass der Jäger endlich ruhen soll von der Jagd. Hören Sie in unserem Audio zwei sehr verschiedene Interpretationen.
Baker vs. McLaughin
Die erste stammt von Janet Baker mit "Ellens Gesang" Nr. 2 von Schubert. Hier wechselt die Stimmung von der Aufforderung zur Ruhe und dann zu einer aufgeregten, dramatischen Stimmung wenn es heißt: "träume nicht, wenn Sonn' erwacht, dass Jagdhörner dich erwecken" und wenn an die Qualen des "edlen Rosses" erinnert wird.
Baker deutet hier wörtlich, das heißt: Wenn der Jäger nicht an die Jagd denken soll, dann hat sie in der Stimme ein bisschen Jagd. Marie McLaughin hingegen taucht das ganze viel mehr in die Ruhe, die hier dem Jäger empfohlen wird (er soll ja nicht an das Jagdhorn denken, sondern schlafen) - langsamer im Tempo, zarter, wie ein Schlummerlied.
Grundlegender Unterschied der Gesangsästhetik
Ein hoch interessanter Unterschied und beide Interpretationen sind gleichermaßen überzeugend: die eine legt die Gesamtbotschaft des Textes hier in die Stimme, die andere wechselt die Stimmung, wenn vom Jagdhorn nur die Rede ist, obwohl es ja schweigt und schweigen soll.
Ein ganz grundlegender Unterschied der Gesangsästhetik könnte man sagen, der ein zentrales Thema bei Glucks sogenannter Opernreform Mitte des 18. Jahrhunderts war.
Hör-Tipp
Ausgewählt, Mittwoch, 24. September 2008, 10:05 Uhr
CD-Tipps
Franz Schubert, "Lieder", Janet Baker (Gesang), Gerald Moore (Klavier), EMI Classics
Franz Schubert, "Sämtliche Lieder Vol.13", Marie McLaughlin (Gesang) Graham Johnson (Klavier)
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