Zwischen Macht, Kompetenz und Budgetgrenzen

Musikbürokratie

Sie ist der Boden des musikalischen Schaffens: die Bürokratie. Sie spannt das Netz, das Sprungtuch, auf dem Musik entstehen kann. Die zuständige Ministerin, Beiratsmitglied Johannes Kretz und Komponist Bernhard Lang sagen, was sie sich wünschen.

"Der erste Wunsch in einem zu konzipierenden Gebäude der Musikförderung sind Leute, die das Metier kennen", wünscht sich Bernhard Lang, Komponist und Ausschussmitglied des SKE Fonds, eines Fonds für soziale und kulturelle Einrichtungen, gespeist aus Geldern der Verwertungsgesellschaften.

Wer und was gefördert wird entscheidet die politische Ebene. Beraten wird sie von einem Experten- und Expertinnen-Gremium, "bewusst gemischt, männlich - weiblich, Jazz - Ernste Musik," erläutert Johannes Kretz. "Um das Musikleben abzubilden."

Antworten und Argumente

Dieses Künstler- und Künstlerinnengremium berät, was fördernswert ist. Es gibt, basierend auf dem Kunstförderungsgesetz, objektive Kriterien wie Innovation, Strahlkraft über ein Bundesland hinaus. Das Gremium wirft seine künstlerische Kompetenz in die Waagschale, es liefert nicht einfach nur Antworten, sondern auch Argumente.

"Letztlich ist es dann Sache der Ministerin und ihrer Berater und Beraterinnen, wie ernst sie unsere Erkentisse nehmen, oder ob sie aus Gründen der Staatsräson, oder anderen übergeordneten politischen Gründen, dann doch anderes entscheiden", so Kretz.

Vorstufe ministerieller Entscheidungen

"Die Frage, der ich mich immer wieder neu stellen muss: Auf welcher Basis treffen wir Entscheidungen?", sagt Claudia Schmied, Bildungsministerin. "Welche Informationen ziehen wir heran? Die Entscheidungen müssen nach einem Prinzip, nach der Kultur der Begründbarkeit gemacht werden. In den Rahmenbedingungen, die politisch gesetzt werden, ist mir ein klares Bekenntnis zum zeitgenössischen Bereich wichtig. Aber gerade hier sind wir schnell beim Thema Geld, beim Thema Finanzierungen."

Bernhard Lang kennt die Misere der österreichischen Musikbürokratie aus eigener schaffenden Erfahrung und als Ausschussmitglied einer fördernden Stelle. "Der bürokratische Weg einer Werkbeauftragung ist immer derselbe: Ich wünsche mir, sagt ein Ensembleleiter, von Olga Neuwirth ein Klarinettenkonzert, ich kann es aber nicht bezahlen. Das ist immer der erste Satz. Jetzt muss Olga Neuwirth entweder hausieren gehen oder das Ensemble oder der Auftraggeber. Weder die staatliche noch andere Musikbürokratien sind im Stande, ein Werk ordentlich zu bezahlen."

Ministerin Claudia Schmied weiß: "Hier zu sparen, bedeutet eine Schwingung so nachhaltig irritieren, dass ein Verlust für die Gesellschaft entsteht. Daher ist mein Ausgangspunkt: die finanziellen Rahmenbedingungen, das klare Bekenntnis zum Zeitgenössischen - das muss jede Ministerin fordern."

Flügel stutzen für den der Linzer Opernadler

"Wenn man jetzt nach Linz09 schaut, dann gab es bei meiner nun abgesagten Oper zwei Jahre lang Bürokratie, Verwaltung, Verhandlung, Abgrenzung der Kompetenzen. Das war ein reiner Hemmfaktor, dem man gegenüber ohnmächtig war." Bernhard Lang bezieht sich auf ein Projekt, das von der Bürokratie erst verzögert und dann aus Kostengründen vom Auftraggeber abgesagt worden ist: Die Oper "Montezuma" hätte eine der Höhepunkte der Kulturhauptstadt Linz09 werden sollen.

"Die Produzenten sind die Entmachteten", schließt Bernhard Lang. Bernhard Lang sieht den Faktor Zeit als größten Spannungsfaktor auf dem Spielfeld Musikbürokratie. Ein Spannungsfeld, das zwischen den Faktoren Kompetenz, Geld, Wertschätzung und Macht gespannt ist.

Standard der Wertschätzung

"Ich glaub, dort wo die Wertschätzung aussetzt, ist jene Beamten- und Beamtinnen-Ebene, die selbst kein künstlerisches Interesse an der Umsetzung hat. Dort wünsche ich mir einen Standard der Wertschätzung zu etablieren, der Situationen, wie sie einst Fritz Cerha erzählt hat - 'Wer san denn Sie, was wollen denn Sie da?' - überwindet. Die Situation hat sich nicht wesentlich verändert", so Lang, der konstatiert: "Wenn man den bürokratischen Apparat ein bisschen abstrakter sieht, dann hat sich die Distanz zwischen Vermarktern, Promotern, jenen also, die den Mehrwert lukrieren, zum arbeitenden Fußvolk vergrößert. Die Kompetenzen haben sich verkleinert, die Machtdistanzen haben sich vergrößert, die produktiven Kräfte sind entmachtet, mit der Entmachtung verliert man auch die Wertschätzung."

Das Spielfeld Musikbürokratie wird zum Eislaufplatz, wo vor allem junge Karrieren zunehmend schlittern.

Sonderfall freischaffende Komponierende

Bernhard Lang kennt den unsicheren Boden des Lebens eines Musikschaffenden, nicht nur aus mittlerweile neun Jahren der Selbständigkeit, sondern auch aus seiner Ausschusstätigkeit für den SKE Fonds, einen Fördertopf der Verwertungsgesellschaften, der Musikschaffende in künstlerischen wie sozialen Belangen unterstützt. "Ich find das sehr gut, dass die Selbständigkeit erwähnt wird; auch dafür gibt's keine Wertschätzung", so Lang.

Was Bernhard Lang einen "Schwimmgürtel" nennt, ist die Tatsache, dass sich in Österreich zwar vergleichbar viele Komponierende nennen, kaum einer oder eine von dieser Tätigkeit auch wirklich ihren Lebensunterhalt bestreitet. Der Schwimmgürtel ist die Lehrtätigkeit, manchmal auch Funktionärstätigkeit, der die Tatsache verdunkelt, dass das Schaffen eines Musikstücks selten bezahlt und selten adäquat bezahlt ist.

Ohne Schwimmgürtel - also ohne eine Lehr- oder Funktionärstätigkeit - gingen in der jüngeren Musikgeschichte Österreichs wenige durchs Komponierendenleben: Werner Pirchner, Otto M. Zykan, Haimo Wisser, Roland Baumgartner, Wolfgang Mitterer, bis vor kurzem Olga Neuwirth, zeitweise Georg Friedrich Haas.

Nachteilige Lösungen
"Viele bürokratische Sachen, die man sich wünschen würde, sind ungeklärt oder nachteilig gelöst: die Künstlersozialversicherung, die Versteuerung von Zuwendungen, die Absetzbarkeit von Kompositionsaufträgen", erkennt Bernhard Lang. Das hemmt den Strom des Schaffens, erschwert das Verbreitern der Wege, wie es die Ministerin fordert.

Die Bürokratie ist also mehr als ein notwendiges Übel, das künstlerisch Schaffende durchlaufen müssen, sie ist der Boden, auf dem Musikschaffen entsteht. Sie hat das Musikschaffen in der Hand - durch Steuerungsmechanismen wie Absetzbarkeit, Versteuerung, Versicherung. Kommende Regierungen werden sich wieder damit beschäftigen müssen.

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Hör-Tipp
Intrada, 26. September 2008, 10:05 Uhr

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Links
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Österreichische Musikfonds
Bernhard Lang