Woody Allen erstmals als Opernregisseur
Domingo und Villazon in "Il postino"
Woody Allen erstmals als Opernregisseur - die Eröffnungspremiere von Puccinis "Gianni Schicchi" macht neugierig auf die seit Jahren von Placido Domingo geleitete Los Angeles Opera. Gezeigt wird auch eine Opern-Version des Films "Il postino".
8. April 2017, 21:58
Die Klavierauszüge liegen schon bereit: 2009 wird an der Los Angeles Opera "Il postino" Premiere haben, mit Musik des mexikanischen Komponisten Daniel Catán, vor allem aber nach Antonio Skármetas Roman rund um den chilenischen Dichter und Nobelpreisgewinner Pablo Neruda. "In jedem steckt ein Poet, solange er nur das Herz sprechen lässt", so lautete die Botschaft der Mitte der 1990er Jahre Oscar-nominierten italienischen Verfilmung von "Il postino".
Wenn die "Postino"-Oper auf die Bühne der LA Opera kommt - der genaue Premierentermin wird noch bekanntgegeben -, wird Placido Domingo die im Film von Philippe Noiret verkörperte Rolle des Neruda übernehmen, und Rolando Villazon tritt als sein Schützling in die Fußstapfen des italienischen Schauspielers Massimo Troisi.
Macht der Poesie
Der alte Mann und sein Schüler, die Macht der Poesie - eine geniale Idee, für diese Konstellation Villazon und Domingo zusammenzubringen, den ehemaligen Preisträger von Domingos "Operalia"-Gesangswettbewerb und den Jahrhunderttenor.
Aufführungssprache der Oper: Spanisch, als Verbeugung vor der starken "hispanic community" der Stadt, die zuletzt bei Torrobas "Luisa Fernanda" das Theater gestürmt hat.
Woody Allens Operndebüt
Mit dem Filmbusiness flirtet man gern an der Los Angeles Opera, und mit Erfolg. Bei der Eröffnungspremiere der Saison 2008/9, Giacomo Puccinis "Trittico", einen "Gianni Schicchi" in der Inszenierung von Woody Allen (zugleich dessen Opern-Regiedebüt) bieten zu können, war ein Coup, der Schlagzeilen gemacht hat.
Es hat Jahre gebraucht, bis "General Director" Placido Domingo Woody Allen so weit gebracht hatte, und das Ergebnis war ein Hit: Viele Lacher, viel Zwischenapplaus für einen "Gianni Schicchi" quasi als Schwarz-Weiß-Film, als Mafia-Typenkomödie - mit einen Ensemble rund um den Veteran Thomas Allen in der Titelrolle.
Uraufführungsbühne für US-Komponisten
Auch "Il tabarro" und "Suor Angelica", die das Puccini- Triptychon komplettieren, waren einem "Academy-Award"-Gewinner anvertraut: William Friedkin, 1973 mit "The Exorcist" bekannt geworden, an der LA Opera vor Jahren schon mit einer Inszenierung der "Ariadne auf Naxos" von Richard Strauss erfolgreich. Und Placido Domingo hat parallel zu den "Trittico"-Aufführungen die von "seinem" Haus in Auftrag gegebene, im Sommer unter seiner Leitung in Paris uraufgeführte "Fliegen"-Oper nach David Cronenbergs Schocker-Film "The Fly" dirigiert, Komponist: Howard Shore, der Urheber der Filmmusiken zur "Herr der Ringe"-Trilogie.
Nicht, dass die Los Angeles Opera damit ein so rattenfängerisches Projekt zu bieten hätte wie vor zwei Jahren die (ebenfalls von einem Regisseur aus dem benachbarten Hollywood auf die Bühne gebrachte) "Manon" mit Anna Netrebko und Rolando Villazon. (Eine Oper in Auftrag zu geben bezeichnet Domingo als "Glücksspiel".) Aber zeitgenössisches Musiktheater mit Anspruch auf Breitenwirkung gehört dennoch zu den Fixpunkten der seit rund zehn Jahren künstlerisch von Placido Domingo geführten Kompanie, dem momentan viertgrößten US-amerikanischen Opernhaus. In Deborah Drattells Rasputin-Opera "Nicholas and Alexandra" ist Domingo auch selbst aufgetreten, und wird das wieder tun, wenn 2010 Tan Duns "The First Emperor" nach der MET auch an der LA Opera gezeigt werden wird.
Schwerpunkt "verfemte" Komponisten
Maximilian Schells Inszenierungen von "Lohengrin" und "Rosenkavalier"; die "Erfindung" des Duos Netrebko-Villazon für "Roméo et Juliette"; "Madama Butterfly" in Robert-Wilson-Statik; immer wiederkehrende Reprisen von "Tristan und Isolde" in der epochemachenden David-Hockney-Ausstattung - das waren Höhepunkte der vergangenen Opernspielzeiten in Los Angeles. Kiri Te Kanawa war bei ihren letzten Opernauftritten (in Barbers "Vanessa") zu erleben, unzählige junge Sängerinnen und Sänger, von Susan Graham bis Marina Poplavskaya, wurden und werden aufgebaut.
Als der schon von Placido Domingo engagierte Musikchef Kent Nagano an die Bayerische Staatsoper wechselte, kam James Conlon als "Music Director" ans Haus, mit einem Herzensanliegen: Musik von in der NS-Zeit verfemten Komponisten, in der Programmschiene "Recovered Voices". Im Vorjahr hatten Viktor Ullmanns "Der zerbrochene Krug" und Alexander Zemlinskys "Der Zwerg" ("Der Geburtstag der Infantin") Premiere, heuer wird die Neuproduktion der spätromantisch-schwelgerischen "Vögel" von Walter Braunfels mit Spannung erwartet. Das "Opera Camp", Teil der umfassenden Bemühungen der LA Opera um Nachwuchs auch beim Publikum, brachte noch vor Beginn der eigentlichen Spielzeit 08/09 Hans Krasas "Brundibar" auf die Bühne.
Ein neuer erster "Ring"
Haupt-Herausforderung der laufenden und auch noch der kommenden Saison ist aber der Beginn der ersten eigenen "Ring"-Produktion der LA Opera, mit "Rheingold" und "Walküre", in den Bilderwelten von Achim Freyer, mit denen das Publikum in Los Angeles seit Freyers phantastischer "Damnation de Faust" vor fünf Jahren wohl vertraut ist. Um dieses Unternehmen auf die Beine zu stellen, war Placido Domingo auch als Werber um Geldgeber voll im Einsatz.
Oper in den USA ist weiterhin primär unsubventioniertes "Privatvergnügen", die LA Opera mit ihren rund 80 Aufführungen pro Saison macht da keine Ausnahme. Ab und zu, etwa als "the world's greatest Siegmund" in der "Walküren"-Neuinszenierung, ist Domingo nach wie vor als Sänger im Einsatz in "seinem" Haus.
Im Alltag, von "La Traviata" bis "Zauberflöte", dominiert die jüngste, die über-über-nächste Generation, von Massimo Giordano bis Désirée Rancatore, von Genia Kühmeier (sie debütiert als Micaela) bis Markus Werba (als Papageno). Die New Yorker Metropolitan Opera mag das "Schlachtschiff" sein unter den Opernhäusern der USA. Die beweglichere LA Opera ist längst auf Zukunftskurs.
Hör-Tipp
Apropos Oper, Donnerstag, 25. September 2008, 15:06 Uhr
Link
Los Angeles Opera