Wiglaf Droste, Berufszyniker?

Es ist alles immer umgekehrt

Wiglaf Droste ist nichts heilig. Nein, so kann man das nicht formulieren. Wiglaf Droste nimmt sich kein Blatt vor den Mund. Und da ist es ganz egal, ob er über zopftragende Männer, Helmut Kohl, den Papst oder rauchende Frauen schreibt.

"Als Zyniker wird denunziert, wer die Welt nicht so sieht, wie sie sein sollte, sondern so, wie sie wirklich ist; wenn man Menschen danach beurteilt, wie sie sind und wie sie handeln und nicht nach ihren Absichtserklärungen. Wenn man das tut, dann gilt man als Zyniker. Wenn das die Definition eines Zynikers wäre, dann wäre ich das", sagt Wiglaf Droste. Aber nein, er sei kein Zyniker, denn Zynismus hat ja damit zu tun, dass man das Richtige sieht und mit voller Absicht unterlässt, es zu tun beziehungsweise das Gegenteil tut, weil es einem nützlicher oder gewinnbringender erscheint. Dass man gewonnene Erkenntnisse aus Gründen der Opportunität nicht nur verrät, sondern auch noch das Gegenteil behauptet. Das empfindet Wiglaf Droste als Zynismus.

Der Aufprallprosaist

"Es ist genau immer umgekehrt. Der Schein trügt immer", sagt Wiglaf Droste. Er sei weit davon entfernt, ein Menschenfeind zu sein. "Ein Kollege hat mal meine schriftstellerische Arbeit als Aufprallprosa bezeichnet - das fand ich ziemlich treffend. Das passiert." Er prallt mit der Wirklichkeit zusammen, weil sie nicht gerecht, nicht fair ist. "In einem meiner Lieblingsbücher läuft der wie ich aus Ostwestfalen stammende Held durch diese Welt und sieht das alles, durchleidet das auch alles und doch ist er an jedem neuen Morgen überzeugt, in der besten aller Welten zu sein. Vielleicht ist das die einzige Methode, mit der das geht."

Lesen, Singen und dabei noch ein Rad schlagen

Seine äußerst gut besuchten Lesungen sind meistens gleichzeitig Konzerte von ihm und dem Spardosen-Terzett, einem Essener Jazztrio. Mit Band auf Tournee zu sein, war für Wiglaf Droste gewöhnungsbedürftig: "Da hat man plötzlich eine Art Familie an der Backe. Zu viert vier Wochen unterwegs sein - da weiß man, wieso so viele Bands auseinander gehen: Das sind keine musikalischen Differenzen. Es auf relativ engem Raum in guter Stimmung kontinuierlich miteinander auszuhalten, das ist das Schwerste überhaupt." So gesehen müsse man Keith Richards und Mick Jagger Respekt zollen.

Nutzt gar nichts

Manchmal, ja manchmal erwärmt sich der Aufpralldichter für etwas oder jemanden. Und wenn er das tut, dann mit ganzem Herzen. Das gilt etwa für das Füttern von Frauen: ein beliebtes Sujet in Drostes Oeuvre. Aber auch für Schriftsteller wie Wilhelm Busch, Peter Hacks und Joachim Ringelnatz. So gnadenlos, ja vernichtend Wiglaf Droste mit seinen Feindbildern umgeht, so hingebungs- und liebevoll beschreibt er Dinge und vor allem Menschen, die ihm wichtig sind.

Hör-Tipp
Diagonal, Samstag, 27. September 2008, 17:05 Uhr

Mehr dazu in oe1.ORF.at

Link
Tom Produkt - Wiglaf Droste