Reinhart von Gutzeit zieht Bilanz
Nachwuchsprobleme und Exportschlager
Reinhart von Gutzeit ist seit zwei Jahren Rektor des Mozarteums Salzburg. Er muss die Anforderungen einer Universität mit der Tradition eines weltberühmten Hauses in Einklang bringen. In Österreich habe man ein Nachwuchsproblem, gibt er zu.
8. April 2017, 21:58
Vor zwei Jahren, im Oktober 2006, hatte die Salzburger Musikuniversität Mozarteum endlich (nach langem Suchen) einen neuen Rektor. Reinhart von Gutzeit wechselte von der Linzer Bruckneruniversität, der er über zehn Jahre lang als Rektor vorstand, nach Salzburg - vorläufig mit einem Vierjahresvertrag. Mit Beginn des Wintersemesters in diesem Oktober ist also Halbzeit für Reinhart von Gutzeit.
Die Arbeit in Salzburg sei gar nicht so viel anders als die vorher in Linz, meint der gebürtige Berliner auf die Frage, ob er in Salzburg das angetroffen habe, was er erwartet hatte. Überrascht sei er von der Euphorie und Aufbruchstimmung gewesen, die durch den Bezug des neuen Gebäudes beziehungsweise der renovierten Räumlichkeiten im Haus herrschte. Das Mozarteum hatte damals eine achtjährige Durststrecke in provisorischen Gebäuden hinter sich, nachdem das alte Gebäude wegen Asbestverdachts geschlossen worden war. Mit Beginn der Amtszeit Reinhart von Gutzeits als Rektor waren die renovierten Gebäude weitgehend fertig. Gutzeit setzte sich ins gemachte Nest. Glück für ihn.
Prominente Lehrende
Seit zehn Jahren ist das Mozarteum nicht mehr Kunsthochschule, sondern Universität. Gutzeit hat die Umwandlung eines Konservatoriums in eine Universität in Linz selbst mitvollzogen. In Salzburg nun muss er die Anforderungen einer Universität mit der Tradition und dem Ruf eines weltberühmten Hauses und den Bedürfnissen einer Schar prominenter Lehrender (darunter z.B. Barbara Bonney oder das Hagen Quartett) in Einklang bringen.
"Eine der Aufgaben eines solchen Rektorats ist es auch, die Künstler so weit wie möglich von formalen Belastungen freizuhalten. Ich kämpfe dafür, alle diese Maßnahmen die das Universitätsgesetz verlangt, Anm. - wie zum Beispiel die sogenannte Wissensbilanz oder die Evaluation - immer zu reduzieren auf das Maß des unbedingt Erforderlichen. Ich fände es eine unglaubliche Zumutung, wenn Künstler zu Bürokraten gemacht würden", so der Rektor.
Engagement für die Stellung der Kunst
In seiner Antrittsrede vor zwei Jahren hatte Gutzeit betont, es sei Aufgabe eines Hauses wie des Mozarteums, jungen begabten Musikerinnen und Musikern zu vermitteln, dass es nicht reiche, ein guter Musiker zu sein. Engagement für die Stellung der Kunst in unserer Gesellschaft (pädagogisches oder auch kulturpolitisches) sei ebenso wichtig. Verantwortung also für die Pflege der Kunst im Allgemeinen, denn, so Gutzeit erklärend: "Natürlich sind Probleme der Politik oder Wirtschaft oft dringlicher. Aber bedenken wir einmal, wie sehr unser heutiges Bild von vergangenen Gesellschaften - etwa der Romantik oder dem Barock - von der jeweiligen Kunst der Zeit geprägt ist, durch die Kunst also zukünftigen Generationen vermittelt wird; bedenken wir dies, dann müssen wir eingestehen, dass wir verhältnismäßig wenig für die künstlerische Bildung tun. Auch wenn sich die Zustände etwa der Musikausbildung sehr gebessert hätten, aber noch immer gibt es (gerade im Land Salzburg) Anmeldelisten für Musikschüler, die keinen Platz bekommen, weil die Musikschulen nicht genügend Lehrer haben."
Nachwuchsproblem in Österreich
Auch deshalb, so Gutzeit, "haben wir ein Nachwuchsproblem". In den Instrumentalfächer dominieren Studierende aus dem Ausland.
Im Detail heißt das: Zirka die Hälfte der Studierenden am Mozarteum kommen zwar aus Österreich. Allerdings sei zu bedenken - so Gutzeit - dass Fächer, in denen die deutsche Sprache eine wesentliche Grundlage bildet, wie etwa die pädagogischen Fächer, aber auch bildende Kunst und Schauspiel, von deutschsprachigen Studierenden dominiert werden, die meisten davon aus Österreich. Das heißt, dass das solistische Fach am Instrument und im Gesang zu einem Großteil von ausländischen Studierenden - viele davon aus Asien und Osteuropa - belegt werden.
Exportschlager Mozarteum
Grundsätzlich mache es ihn Stolz, dass das Mozarteum auch ein "Exportschlager" ist und aus aller Welt, junge Menschen zum Studieren nach Salzburg kommen. Auch in der Politik sei das keine strittige Frage. Dennoch wäre es wünschenswert, so Gutzeit, dass das künstlerische Potential aus dem Inland hier mehr gefördert wird.
Als ehemaliger Leiter vieler Musikschulen in Deutschland und Mitherausgeber der wichtigsten deutschsprachigen Zeitschrift für Musikpädagogen "Üben und Musizieren" ist Gutzeit ein Kenner der Musikerziehung und Begabtenförderung im Bereich der Musik. Bei der Erziehung der Jugendlichen in Westeuropa herrsche - verglichen etwa mit Asien - eher das "Lustprinzip" vor, für das auch vieles spräche, das aber nicht zu entsprechenden Hochleistungen am Instrument führe. Diese virtuosen Hochleistungen - so Gutzeit einschränkend und in die Zukunft blickend - werden allerdings zukünftig nicht mehr ausreichen. Es gehe zunehmend um Musikvermittlung: Ein Orchestermusiker wird sich in Zukunft immer mehr als "Educater" verstehen müssen, denn als reiner Flötist oder Cellist.
Hör-Tipp
Apropos Musik. Das Magazin, Sonntag, 5. Oktober 2008, 15:06 Uhr
Link
Universität Mozarteum Salzburg