Die Kommunalwahlen in Bosnien-Herzegowina

Wölfe im Leopardenfell

Drei Millionen Menschen waren am Wochenende bei den Kommunalwahlen in Bosnien-Herzegowina wahlberechtet. Knapp mehr als die Hälfte hat das auch tatsächlich getan und - wenig überraschend - die jeweils "ethnisch richtige" Partei gestärkt.

Die Menschen in Titos Jugoslawien waren besonders stolz auf die proklamierte Buntheit ihrer verschiedenen Völker, Kulturen, Sprachen, ihrer Schriften und Religionen. Das Staatsmotto war "Brüderlichkeit und Einheit" ("Bratstvo i jedinstvo"), das alle schon in der Schule ständig zu wiederholen hatten.

Der Zerfall Jugoslawiens brachte (eigentlich überraschend schnell) fieberhaft die "Homogenisierung" der neuen, unabhängigen Staaten - bis auf einen: Bosnien-Herzegowina. Der Krieg, der von 1991 bis 95 dort tobte, war eigentlich ein Versuch, aus Bosnien-Herzegowina ein ethnisch klares Gebiet zu schaffen. Trotz aller "Bemühungen", trotz Hunderttausender Toter und einem fast völlig zerstörten Land konnten die jeweiligen "Volksführer" diese "Mission", wegen komplexer, historischer Gründe, ihre Absicht nicht erfüllen. So hat Bosnien Herzegowina seine Leopardenhaftigkeit mit großen Schwierigkeiten weiter ertragen.

Die drei "Hauptethnien", die Bosniaken (wie jetzt die moslemischen Bewohner genannt werden), Kroaten und Serben, leben in einem Staat, der aus drei Völkern und zwei innenstaatlichen Einheiten, der bosnisch-kroatischen Föderation und der Republika Srpska, besteht. Diese zwei Einheiten sind nicht klar voneinander zu trennen, so hat Bosnien-Herzegowina seine Bezeichnung "Leopardenmuster" bekommen.

Kyrillische und lateinische Staatsteile

Wenn man durch Bosnien-Herzegowina mit dem Auto fährt, ist es nie ganz sicher, in welchem Teil des Staates man sich befindet. Ein erfahrener Reisender kann nach der Schrift der Verkehrsschilder und der Läden das Rätsel entziffern. Die kyrillische Schrift ist nie in der bosnisch-kroatischen Föderation zu sehen und die Republika Srpska hängt hartnäckig an ihren, für Westeuropäer nicht lesbaren, kyrillischen Zeichen. In einer Fahrt durch Bosnien Herzegowina wechseln in manchen Gebieten diese zwei Teile eines Staates in so kurzem Abstand, dass das zu Verwirrungen führt.

In der Geschichte von Bosnien-Herzegowina haben die Herrscher, Osmanen, die nachkommenden Habsburger und nicht zuletzt beide Jugoslawien, irgendwie ein vielleicht trügerisches aber doch funktionierendes Zusammenleben der verschiedenen Ethnien organisiert. Nach den grausamen Geschehnissen des Krieges 1991 bis 1995, der in einen souveränen staatlichen Status mündete, ist das Leben der verschiedenen Völker alles andere als zufriedenstellend zu bezeichnen.

Das alles in Rechnung stellend, klingen die Kommentare der Medien auf die sonntägigen Kommunalwahlen in Bosnien-Herzegowina überraschend. Die Beobachter scheinen über den Umstand, dass die Mitglieder einer Volksgruppe wieder die jeweiligen Nationalparteien gewählt haben, erstaunt. Diese Resultate haben das Leopardenmuster des Landes noch einmal verfestigt.

Die demokratische Richtung?
Nach den Worten des Präsidenten der zentralen Wahlkommission Bosnien-Herzegowinas, Suad Arnautovic, könne man mit der Wahlbeteiligung, wenn man den aktuellen Zustand des Landes betrachte, zufrieden sein. Eine Wahlbeteiligung von etwa 55 Prozent entspräche den modernen demokratischen Gesellschaften, zu welchen Bosnien Herzegowina strebe, so Arnautovic.

Der Journalist Ahmed Burićburic von der Tageszeitung "Oslobodjenje" ("Befreiung") aus Sarajewo teilt diesen Optimismus nicht. In seinem Kommentar am Montag bemerkte er, dass seit den ersten demokratischen Wahlen in Bosnien-Herzegowina schon 18 Jahre vergangen sind. "Die Demokratie ist jetzt volljährig und es scheint, dass wir schon die Zeit, in der wir wie normale Menschen gelebt haben, vergessen haben."

Das Land befindet sich weiter in einer für die meisten Bürger Bosnien-Herzegowinas unbefriedigenden Mischung aus Unabhängigkeit und internationalem Protektorat. Viele Menschen fragen sich, ob das schon eine würdige Staatsform sei. Symptomatisch ist auch, dass, trotz der kleinerer Verluste oder kleinerer Gewinne einiger Stimmen in Richtung anderer Parteien, alle mit den aktuellen Wahlergebnissen zufrieden sind.

Status quo
Man könnte fast glauben, dass die Beteiligten mit dem Status quo weiter leben möchten. Das heißt dann aber auch, dass Bosnien-Herzegowina weiter ins Leopardenfell gehüllt leben muss.

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