Winkler erhält Großen Österreichischen Staatspreis
Heute erhält Autor Josef Winkler den Großen Österreichischen Staatspreis. Die höchstrangige Künstlerauszeichnung der Republik leitet einen Preisregen ein, der mit der Verleihung des Georg-Büchner-Preises Anfang November seine Fortsetzung findet.
7. Mai 2020, 08:20
Auszeichnungen waren schon bisher nicht Mangelware in der literarischen Karriere des Josef Winkler. Vom Verleger-Preis des Ingeborg-Bachmann-Wettbewerbs 1979 bis zum renommierten spanischen Premio Lateral 2005 reicht eine breite Palette an Würdigungen. Jetzt, im Oktober folgen schließlich der Große Österreichische Staatspreis - die höchstrangige Künstler-Auszeichnung, die von der Republik Österreich verliehen wird, und der von der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung verliehebe Georg-Büchner-Preis. Eine große Dichte von Anerkennungen also für den Bauernsohn aus Kamering, der schreibend versuchte, der Provinzialität und dem Katholizismus seines Dorfes zu entkommen.
Sein eigenes Aufwachsen habe ihm "einen ungeheuerlichen Stoff gegeben", meint Winkler heute. Der schmerzhafte Abnabelungsprozess zieht sich durch sein Werk, das auch in fernen Weltgegenden auf ähnliche Strukturen und Traditionen wie in der Heimat stieß.
Das wilde Kärnten
Seine literarische Karriere begann der am 3. März 1953 Geborene, der zunächst verschiedene Berufe bekleidete, mit dem 1979 erschienenen Roman "Menschenkind". Dass ihm bereits mit seinem Debüt der Sprung "vom Misthaufen zu Suhrkamp" gelang, verdankt Winkler Martin Walser, der damals das Manuskript an den renommierten deutschen Verlag empfohlen hat. Dem Suhrkamp Verlag ist Winkler bis heute treugeblieben. Gemeinsam mit den folgenden Büchern "Der Ackermann aus Kärnten" und "Muttersprache" gelang Winkler mit dieser "Das wilde Kärnten" genannten Trilogie nicht nur eine bemerkenswerte literarische Auseinandersetzung mit den Gespenstern und Schrecken seiner Kindheit - die bis zum bisher letzten Buch "Roppongi. Requiem für einen Vater" fortdauerte -, sondern auch die Möglichkeit, ab 1982 als freier Schriftsteller seinen Lebensunterhalt bestreiten zu können.
Alltag und Apokalypse
Nicht nur für seinen Vater war Josef Winkler zunächst der "Sauhund", der mit seinem nichts beschönigenden Schreiben vermeintlich Schande über die Familie und das Dorf brachte. Für die Leser war Winklers von detailreichen Beschreibungen und mächtigen Bildern geprägte Sprache zwischen Alltag und Apokalypse jedoch eine Bereicherung. Persönlicher Schmerz, allgemeingültige Erfahrungen in einer zutiefst katholisch geprägten Gesellschaft und die Auseinandersetzung mit den "letzten Dingen" zwischen Tod und Leben, Himmel und Erde verbanden sich zu Büchern, die so poetisch wie realistisch, so faszinierend wie irritierend zugleich wirkten und sich rasch vom Stallgeruch der "kritischen Heimatliteratur" befreiten.
Der Reiz des Transzendenten
Dass Winkler, der heute mit seiner Frau, seinem zwölfjährigen Sohn und seiner fünfjährigen Tochter in Klagenfurt lebt und Lehrbeauftragter der Universität der Kärntner Landeshauptstadt ist, auch bei seinen zahlreichen Reisen und Auslandsaufenthalten von Rom über Benares bis Tokio vor allem von transzendentalen Erfahrungen angezogen wurde, mag bei einem, der acht Jahre lang Ministrant war, nicht wirklich verwundern. Allein in Indien, wo seine Frau vier Jahre ihrer Kinder verbracht hat, war er bereits neun mal. Ob es sich um Leichenverbrennungen am Ufer des Ganges ("Domra" u.a.) oder das bunte Treiben auf einem römischen Markt ("Natura morte", der Komponist Dieter Kaufmann machte später daraus das Musiktheater "Requiem für Piccoletto") handelt, immer werden Lebensfreude und Todeserfahrung, Blüte und Verwesung mit allen Sinnen erfahrbar.
Dennoch lässt sich Winklers Bekenntnis, am liebsten lese er jene Bücher, "die ich mühsam entziffern, Satz für Satz erobern muss", durchaus auch auf sein eigenes Schreiben anwenden. "Ich habe nie für ein Massenpublikum geschrieben", bekennt der Autor, durch dessen Werk Jesus Christus wie Karl May, Jean Genet wie Hans Henny Jahn als Wegweiser dienen können und dessen mitunter halsbrecherisch wirkende Endlossätze den Leser immer wieder in Absturzgefahr bringen. Sein neues Buch heißt "Ich reiß mir eine Wimper aus und stech dich damit tot". Der Band komprimiert in elf kurzen Texten die Leitthemen seines Werks, den buchstäblich allgegenwärtigen Tod, das Reisen und das Lesen.
Preisregen
Am 9. Oktober 2008 wird ihm der Österreichische Staatspreis in Wien überreicht. Zuletzt hatte ein Schriftsteller diesen Preis mit Gert Jonke im Jahr 2001 erhalten. Am 1. November schließlich folgt in Darmstadt die Verleihung des Büchner-Preises.