Ein Überblick

Sprache in einer globalisierten Welt

Sprachen sind keine starren Konstruktionen, sondern "feinstrukturierte Sozialgebilde, die ihren Ort im Bewusstsein vieler Sprecher haben und sich nach den wechselnden Bewusstseinszuständen dieser Sprecher unaufhörlich verändern".

Sprachliche Vielfalt und Mehrsprachigkeit werden im "Internationalen Jahr der Sprachen" besonders hoch bewertet. Die Diskussion über den intellektuellen und kulturellen Reichtum europäischer Sprachenvielfalt wird aber überschattet vom unaufhaltsamen Aufstieg des Englischen als internationale Leitsprache für Politik, Wirtschaft und Wissenschaft.

Im "Ö1 Dossier Sprache" und einem damit verbundenen Symposium wird versucht, aktuelle Entwicklungen und Zusammenhänge von Sprache, Politik, Wissenschaft und Medien zu analysieren und insbesondere die Probleme der Wissenschaftssprache in der Öffentlichkeit zu beleuchten.

Der Status einer Sprache

Veränderungen im Sprachgebrauch sind ein Hinweis auf gesellschaftliche Prozesse. Die neue Leitsprache Englisch wird zwar als Fremdsprache überall in Europa unterrichtet, gilt aber darüber hinaus schon als eine der selbstverständlichen Fertigkeiten, die alle Bürgerinnen und Bürger einer modernen Gesellschaft besitzen müssen.

Der Status einer Sprache ist untrennbar mit den Verhältnissen politischer, wirtschaftlicher und kultureller Macht verbunden. Wenn es hier zu Verschiebungen kommt, verändert sich auch die Hierarchie der Sprachen. Das Monopol auf eine globale Leitsprache wird sich durch den weiteren Aufstieg bevölkerungsreicher Länder wie China und Indien verschieben.

So dürften nach einer Einschätzung des British Council für das Jahr 2050 neben dem Englischen auch die chinesische Sprache Mandarin, Hindi/Urdu, Spanisch und Arabisch die großen internationalen Sprachen werden.

Englisch, die Sprache der globalen Kommunikation

Von der mit Latein verbundenen Kultur wurde ein Kontinent geprägt, während Englisch das Vehikel einer weltweiten Wissenschaftskultur geworden ist. Ein Vehikel, das nicht immer perfekt beherrscht wird, sondern ein eigenes Wissenschaftsidiom hervorgebracht hat, dessen etwas abschätzige Bezeichnung "Broken English" lautet. Denn Englisch ist auch in der Wissenschaft nach einem trefflichen Ausspruch G. B. Shaws "the easiest language to speak badly".

Der Gebrauch des Englischen verschafft Zugang zur internationalen Publikationswelt. Englisch ist die Sprache des Internet und der globalen Kommunikation. Mit der Ausbreitung der – Amerika-zentrierten – Wissenschaftskultur ist auch ein "Definitionsmonopol" der Begriffe verbunden.

In weiten Teilen der Natur- und Sozialwissenschaften, vor allem aber in den "Life Sciences" ist das Instrumentarium der Begriffe sehr einseitig von der Dominanz des Englischen geprägt. Das hat auch zur Kritik an einem "imperialen Gestus" im internationalen Wettbewerb geführt.

Weiter geht aber noch die Sorge, dass Nationalsprachen, deren Begriffe nicht mehr in der Lage sind, bestimmte Bereiche moderner Wissenschaft zu benennen, nicht nur im symbolischen Sinne bald schon vor verschlossenen Türen stehen werden.

Mehrsprachigkeit und Vermittlungsfähigkeit

So positiv die Wirkungen einer internationalen Leitsprache für die Überwindung nationalistischer Engstirnigkeit und für die konstruktive Zusammenarbeit in einer vom Internet beförderten neuen Kommunikationskultur sein können, ist doch Kritik angebracht, wenn sprachliche Vielfalt und die Entfaltung neuer (Wissenschafts-) Kulturen unter einem damit verbundenen Dominanzverhältnis leiden.

Mehrsprachigkeit und Vermittlungsfähigkeit sind auch in dem Beitrag gefragt, den Wissenschaftler/innen für die gesellschaftliche Wahrnehmung ihrer Tätigkeit leisten sollten. Einerseits wird von ihnen das Publizieren in englischer Sprache verlangt, um in der internationalen Liga "am Ball" bleiben zu können, andererseits müssen sie aber auch zu einem "Heimspiel" antreten, in dem es gilt, der Gesellschaft und damit auch den politischen Entscheidungsträgern das neue Wissen in der eigenen Sprache verständlich und glaubwürdig darzustellen.

Sprache lebt in Vielfalt

Die Ausbreitung von Anglizismen lässt sich nicht mit Hilfe staatlicher Sprachpolitik verhindern. Sprache ist kein nach außen abschottbares Gebilde, sondern lebt von ihrer Vielfalt und den mit ihrer Veränderung verbundenen Konflikten.

Das Bewusstsein für gesellschaftliche Mehrsprachigkeit zu schärfen und damit auch Möglichkeiten auszuloten, wie der Dialog zwischen verschiedenen (Wissenschafts-) Sprachen und Sprachkulturen gelingen könnte, ist ein Anliegen des "Ö1 Dossiers Sprache".

Hör-Tipp
Alle Sendungen des Ö1 Dossier Sprache in oe1.ORF.at

Veranstaltungs-Tipp
Symposium, "Sprache in der globalisierten Welt", Im Zuge der Initiative "Sprechen Sie Wissenschaft?" - getragen vom BMWF und der Ö1 Wissenschaftsredaktion - findet am 16. Oktober 2008 um 16:00 Uhr im RadioKulturhaus, Argentinierstraße 30 A, 1040 Wien, ein Symposium zur "Sprache in der globalisierten Welt" statt.

Mehr dazu in science.ORF.at

Übersicht

  • Sprache